„Geht fort! Warum bist Du vor der Zeit gekommen, um uns zu quälen?“ – sprachen die Dämonen, denen der Herr entgegentrat. „Geh von uns. Du zerstörst unseren Wohlstand“ – meinten die Leute, vor deren Augen Christus einem Menschen das Leben und eine Zukunft, die Freiheit und die ganze Weite des ewigen und irdischen Daseins zurückgegeben hatte.
Wovor erschraken die Dämonen und wovor die Leute? Die Dämonen erschauderte vor der Liebe Christi, vor der sie stets erschrecken, weil sie der Hölle ihre Gefangenen nimmt und den Hass überwindet, weil sie den Geknechteten die Freiheit schenkt und der Herrschaft der Hölle ein Ende setzt. Johannes Chrysostomos beschreibt, als er über die Liebe spricht, die Liebe Christi als Freiheit des Lebens und als Weite der Ewigkeit, weil sie eben dies den Menschen eröffnet. Gleichzeitig spricht er aber auch von einer dunklen, dämonischen Liebe. Er spricht von einer Liebe, die zwar wie Liebe aussieht, dabei jedoch finster und kalt ist, das heißt, eine grausame Kehrseite hat. Von solcher Art ist die Liebe jener Menschen, die, weil sie jemanden lieben, einen anderen hassen, die meinen, dass sie von ganzem Herzen einen Menschen umarmen, einen anderen jedoch mit ihrem ganzen Wesen ablehnen, die denken, dass in einem Herzen, in einer Seele, Paradies und Hölle nebeneinander bestehen können. Eine solche Liebe nennt Chrysostomos eine dämonische, dunkle Liebe.
Es gibt aber eine noch finstere Liebe, nämlich die, mit der die Dämonen angeblich ihre Sklaven lieben, denen sie Vergnügen, Genuss und Erfolg in diesem irdischen Leben versprechen und ihnen dabei die grausame Rückseite ihrer Lüge verbergen, nämlich dass ihre Liebe das menschliche Herz nicht ausfüllen kann, dass ihrer Angebote die menschliche Seele nie sättigen können, weil diese nur in Gott, in der Ewigkeit und in der Fülle des Seins ihren Frieden finden kann, nicht aber in der Finsternis und durch Betrug. Ein Schriftsteller, der spirituelle Dinge beschreibt und sich bemüht hat, diese dämonische Liebe zu beschreiben, meint, dass sie ein Betrug ist, denn ihr Wesen ist die Herrschaft. Der, der auf Geheiß der Dämonen hin liebt, also mit einer solchen Liebe liebt, will beherrschen, möchte sich einen Menschen zu seinem Untertan und zu seinem Eigen machen, sodass von dem „geliebten“ Menschen nichts mehr bleibt, was er nicht kontrolliert, was er sich nicht angeeignet hätte und nicht sein Eigentum geworden wäre, bis hin zum Menschen selbst. Mit dieser falschen Liebe, mit diesem Betrug, versuchen die Dämonen jeden Menschen für sich zu gewinnen. Als ihnen jedoch die Göttliche Liebe entgegentrat, schrien sie voller Erschrecken: „Was willst Du hier, Jesus Christus, Du Sohn Gottes? Warum bist Du vor der Zeit gekommen, um uns zu quälen?“ Sie wusste also, dass eine Zeit kommen wird, in der ihr Spinnennetz zerfallen und sich der Nebel vor dem Angesicht der Wirklichkeit auflösen wird. Sie wissen, dass auch sie eines Tages von dem gleichen Hunger gequält werden, an dem jeder leidet, der sich zu einem Sklaven ihrer Lüge macht, zu einem Knecht der dämonischen Liebe.
Mit dieser falschen Liebe, die tötet und nur Leere zurücklässt, vermochten auch die Menschen von Gardara zu leben. Sie hatten Familien, hegten Freundschaften, doch sie gaben sich mit dieser Lüge und diesem Betrug zufrieden. Und als Christus für einen Menschen, einem lebendigen Menschen, der ein Sklave des Wahnsinns geworden war, für den es kein Leben gab auf der Erde und demzufolge scheinbar weder Zukunft noch Ewigkeit, die ganze Weite der Zeit und der Ewigkeit, der Erde und des Himmels wieder neu auftat, vertrieben die Menschen Ihn aus ihrem Land. Sie waren im Ganzen, als Masse, zu Ihm gekommen, nicht um Ihm zu danken, dass Er einen Menschen aus ihrer Mitte, von den Toten und aus dem Verderben wieder zum Leben erweckt hatte, sondern um Ihn aufzufordern, ihr Land zu verlassen, denn für eine solche Liebe gab es keinen Raum bei ihnen. Eine solche Liebe nämlich bedeutete, dass ein Mensch für sie mehr bedeuten sollte, als all die Dinge, die sie beherrschen konnten, und dass ein Mensch einen unermesslichen Wert darstellt. Sie jedoch hatten es nur gelernt, in diesem komplizierten Geflecht von unterdrückenden und vereinnahmenden Beziehungen dämonischer Liebe zu leben. „Geh fort von uns!“ – Warum? Nicht nur weil sie einen Teil ihres Besitzes verloren hatten, sondern weil eine solche Liebe ihnen Angst machte. Denn Lieben bedeutet, einen anderen mehr zu achten als sich selbst und dies mit großzügigem Herzen. Es bedeutet, wenn schon nicht alles, so doch vieles, als höher und wichtiger zu erachten als sich selbst. Es bedeutet, sich selbst zu sterben, seinen Egoismus und seine Selbstliebe, seinen Geiz und seine Gier nach Macht zu überwinden, das heißt, zu sterben, damit andere in einer neuen Weite leben können und nicht mehr am Rande des Todes. Ja, sie erschraken mit Recht, denn das Evangelium, das nicht auf die Veränderung einer Gesellschaftsordnung zielt, sondern auf die Veränderung des Menschen in seinem tiefsten Innern, hat die Menschen in der Antike tief erschüttert, wie es auch jede Gesellschaft erschüttert und ins Wanken bringt, die nicht auf der Basis ehrfürchtiger und opferbereiter Liebe errichtet ist. Als die Menschen es einsahen, dass es nichts Wertvolleres gibt als den Menschen – und dies kann jeder Mensch leicht begreifen, wenn er nur an sich selbst denkt – brach auch die alte Sklavenhaltergesellschaft zusammen, so wie jede Gesellschaftsordnung zugrunde gehen wird, die auf dem Prinzip der Knechtschaft beruht. Die Menschen von Gardara erschraken, weil sie verstanden, dass ihre Ordnung und ihr Leben so keine Zukunft haben. Vor ihnen erstand ein geheilter Mensch, der seine Integrität wiedergefunden hat. Und weil ein Mensch seine Unversehrtheit wiedererlangt hatte, trat alles Dunkle und Finstere der Hölle, aber auch die Abgründe des menschlichen Herzens zu Tage.
Geschieht nicht genau das Gleiche auch jetzt, wenn wir, anstatt einen Menschen mit Liebe anzunehmen, ihn ablehnen, weil er frei ist? Frei von uns und von unserer Gemeinschaft, frei von jener Knechtschaft, die wir uns auch für ihn wünschen? Und diese Dämonen, diese Menschen, lehnen, indem sie einen Menschen von sich stoßen, auch Gott ab, denn nur Gott ehrt und liebt einen Menschen in einer solchen Weise, weil nur für Gott der Mensch das höchste Gut darstellt, für den Er selbst Mensch geworden ist, um mit ihm ganz Eins zu sein, ja selbst in dessen Tod. Die Dämonen bezeugen: „Der Sohn Gottes“, wobei die Menschen dabei erschrecken, so wie ein Mensch in der Tat vor der Gegenwart des Göttlichen erschrecken kann. Die Lesung heute gereicht nicht nur der Gegend um Gardara zu Gericht. Sie gereicht jedem von uns zur Anklage, unserer Kirche und jedem Land der Erde. Denn was antworten wir einem Menschen? Was antworten wir Christus? Von welcher Art ist unsere Liebe?
Dies ist es, wovor uns die heutige Lesung aus dem Evangelium stellt. Sie ist wie ein zweischneidiges Schwert, das das Licht von der Finsternis scheidet, tief in uns eindringt und unsere Gesellschaft teilt. Das ist es, was uns das heutige Wort der Wahrheit, das Wort Gottes vorhalten möchte. Lasst uns nicht einfach so daran vorrübergehen, denn das Wort Gottes wird uns eines Tages richten, denn es ist das Wort der Wahrheit und das Wort der Menschlichkeit.
Amen