3. April 1983
Die Vorfastenzeit führt uns unsere Sündhaftigkeit vor Augen. Die Große Fastenzeit dagegen, die in den Hymnen der Kirche auch als Geistiger Frühling besungen wird, ruft uns zu geistigen Höhenflügen auf, damit unsere Herzen und unser Geist voller Freude und voller Ehrfurcht erblühen mögen vor Christus und Seinen herrlichen Wundern, vor Seinen Taten, die Er um unseres Heiles willen auf Sich genommen hat. Denn unser Heil liegt vor uns, weil Er uns liebt. Die beiden heutigen Lesungen, sowohl die Apostellesung als auch das Evangelium, künden uns von der göttlichen Natur des Heilandes, von Seiner Unvergleichbarkeit und Größe. Wer kann die Sünden auf der Erde vergeben, wenn Er nicht Gott ist? – fragten sich die Menschen. Der Heiland lässt vor ihren Augen Wunder geschehen und bekräftigt damit, dass Er so, wie er einen Menschen im Fleische wiedererstehen lassen kann, ihm auch seine geistige Unversehrtheit wiedergeben kann, indem Er ihm jegliche Sünde vergibt, ihn von jeglicher Befleckung reinigt, damit in ihm die ganze Herrlichkeit und Schönheit des Abbild Gottes wieder sichtbar wird.
Und noch etwas: Jeder Sonntag der Großen Fastenzeit wird uns nun davon berichten, wie der Herr Seine Göttliche Gnade auf uns ergießt. Wir nennen sie göttlich nach der Lehre der Orthodoxen Kirche, die der Heilige Gregor Palamas verkündet hat, dessen wir heute gedenken. Er beruft sich auf die Erfahrung der Heiligen Väter, wenn er bekundet, dass die Gnade des Heiligen Geistes nicht zu der geschaffenen Welt gehört - wie es die westlichen Kirchen behaupten – sondern die Gottheit Selbst ist, Die sich auf die Schöpfung ergießt, Die die geschaffene Welt bis in ihre Tiefen durchdringt und somit den Menschen, nach den Worten des Apostels Petrus, an der Göttlichen Natur teilhaben lässt (2.Petr.1,4). Diese Lehre entspringt in der Tat der persönlichen Erfahrung der Heiligen und der der Kirche insgesamt und sie ist, vielleicht die vollkommenste Freude, die sich damit für uns auftut. Wir sind also befähigt, nicht einfach nur spirituell zu wachsen und damit in einem metaforischem Sinne Träger des Geistes zu werden. Wir können in der Tat Träger der göttlichen Natur werden, wenn wir durch die Gnade, die ja die Gottheit Selbst ist, an dem Göttlichen Leben und der Göttlichen Natur teilhaben. Darin besteht die Herrlichkeit des Menschen, dies ist unsere Berufung. Die Herrlichkeit Gottes – so spricht der Heilige Irinäus von Lyon - Sein Erstrahlen und Sein Triumpf ist der Mensch, der zur vollen Größe seiner Herrlichkeit herangewachsen ist. Dies ist unsere Berufung, dazu ruft uns die Stimme Gottes, die sich an uns wendet und uns bittet, dass wir doch zu solchen Menschen werden mögen, wie Gott uns einst erdacht hatte und dass wir so seien, wie Er es sich wünschen würde.
Lasst uns deshalb in dieser Großen Fastenzeit zur vollen Größe unserer menschlichen Würde heranwachsen, sodass in uns die Herrlichkeit Gottes erstrahlen möge und sich durch uns die Gnade auf der gesamten Erde verbreiten möge, so wie es der Apostel Paulus geschrieben hat: Die gesamte Schöpfung seufzt in Erwartung des Augenblicks und der Zeit, wenn die Herrlichkeit der Gottessöhne aufscheinen wird, wenn der Mensch seiner Berufung endlich gerecht wird und die gesamte Schöpfung in das Gottesreich führen wird!
Amen