Über Wunder
„Ein Wunder ist etwas ganz anderes. Wenn ein Wunder geschieht, dann wird für einen Moment die ursprüngliche Harmonie, die durch die menschliche Sünde zerstört ist, wiederhergestellt. ... Ein Wunder ist nicht etwas noch nie Gehörtes oder Unnatürliches, was der Natur der Dinge widerspricht. Es ist gerade umgekehrt ein Augenblick, in dem Gott in Seine Schöpfung hineintritt und von dieser auch aufgenommen wird, denn nur wenn Gott aufgenommen wird, kann Er in der von Ihm geschaffenen Welt wie auch in jedem einzelnen seiner Geschöpfe frei und machtvoll wirken.“ – aus einer Predigt über Wunder von Metropolit Antonij von Sourozh
Статья

17. August 1986

Immer wieder lesen wir im Evangelium wie auch im Alten Testament von Wundern. Ebenso können wir sie im Verlaufe der Jahrhunderte im Leben der Kirche immer wieder ganz nah erleben. Menschen werden wie durch ein Wunder geheilt oder das Leben des einen oder anderen erhält durch die Kraft Gottes neuen Aufschwung. Oft stellen wir Menschen uns die Frage:  Was ist eigentlich ein Wunder? Bedeutet dies, dass im Moment eines Wunders Gott quasi mit „Gewalt“ von aussen in Seine Schöpfung eingreift? Nein. Dies wäre Magie und würde bedeuten, dass Gott den zerbricht, der sich Ihm nicht unterordnet, und Sich den gefügig macht, der im Vergleich zu Ihm schwach ist, um so zu zeigen, dass Er der Stärkere ist.

Ein Wunder ist etwas ganz anderes. Wenn ein Wunder geschieht, dann wird für einen Moment die ursprüngliche Harmonie, die durch die menschliche Sünde zerstört ist, wiederhergestellt. Dies kann einem Funken gleich nur eine Sekunde andauern, dies kann aber auch der Beginn eines völlig neuen Lebens sein, eines Lebens in Harmonie zwischen Gott und dem Menschen, zwischen der Welt, der Schöpfung und ihrem Schöpfer. Ein Wunder stellt alles so wieder her, wie es immer sein sollte. Ein Wunder ist nicht etwas noch nie Gehörtes oder Unnatürliches, was der Natur der Dinge widerspricht. Es ist gerade umgekehrt ein Augenblick, in dem Gott in Seine Schöpfung hineintritt und von dieser auch aufgenommen wird, denn nur wenn Gott aufgenommen wird, kann Er in der von Ihm geschaffenen Welt wie auch in jedem einzelnen seiner Geschöpfe frei und machtvoll wirken.

Als Beispiel für ein solches Wunder steht die Erzählung von dem, was in Kana in Galiläa geschehen ist. Dort hatte sich auf einem einfachen Dorffest die Gottesmutter an Christus gewandt und zu Ihm gesagt, dass die Leute keinen Wein mehr haben. Die Herzen der Anwesenden dort dürsteten noch nach mehr Freude, doch das Getränk, welches diese spendet, war ausgegangen. Christus entgegnete Ihr: Was geht es dich an? Warum wendest Du dich an Mich? Sie antwortete Ihm nicht direkt, sondern sagte zu den Dienern: Was Er euch sagen wird, das tut! Sie reagierte also auf die Frage Christi mit etwas, was ihren Glauben ausdrückte. Sie glaubte ohne jeden Zweifel an die Weisheit Christi, an Seine Liebe und Seine Göttlichkeit. In diesem Augenblick wurde das Himmelreich volle Gegenwart, weil der Glauben eines einzigen Menschen das Tor zu ihm für jeden, der tut, was ihm gesagt wird, aufgerissen hat. In die Welt trat damals eine neue Dimension der Ewigkeit und endloser Tiefe, die das, was anders nicht möglich war, Wirklichkeit werden liess.

Was für Bedingungen ermöglichen nun die Wiedererrichtung dieser Harmonie? Zu allererst muss eine wirkliche Notlage bestehen. Nicht unbedingt eine tragische. Es kann auch ein ganz einfacher Umstand sein. Es muss jedoch eine echte Notsituation sein. Sowohl Freude als auch Leid, Krankheit und Niedergeschlagenheit dürsten in gleichem Maße danach, in etwas Höheres als nur das Irdische transformiert zu werden. Sie bedürfen einer ebensolchen Weite und Tiefe, wie es der Göttlichen Liebe und der Göttlichen Harmonie eigen ist.

Es muss zweitens eine Hilflosigkeit da sein. Solange wir noch denken, dass wir selbst etwas ausrichten können, lassen wir Gott nicht eingreifen. Mir fällt hierzu ein westlicher Heiliger ein, der einmal gesagt hat: Wenn wir in Not sind, dann sollten wir all unsere Sorge auf Gott werfen, weil Dieser dann schon um Seiner Ehre willen etwas tun muss. Ja, solange wir uns noch als Herrn der Situation empfinden, solange wir immer noch sagen: „Ich mache das selbst. Du, Gott, hilf nur ein wenig!“ -  brauchen wir auf keine Hilfe zu hoffen, weil diese Hilfe dann erst alle menschlichen Tricks und Kniffe auseinanderzirren muss.

Weiter bedarf es des Mitleids Gottes, von dem wir so oft im Evangelium hören: Christus ist barmherzig. Christus fühlt mit und hat Mitleid. Das bedeutet, Er sieht die Menschen, wenn sie in Not sind und sich in keinster Weise mehr zu helfen wissen. Er empfindet Leid in Seinem Göttlichen Herzen. Die Menschen, deren Leben von triumpfierender Freude erfüllt sein sollte, werden von vielerlei Nöten geplagt: manchmal von Hunger, manchmal von Krankheit, von Sünde, vom Tod oder von Einsamkeit, was auch immer es ein mag. Die Göttliche Liebe kann aber entweder nur voller Triumpf und Freude jubeln oder aber sich voller Schmerz ans Kreuz schlagen lassen.

Wenn alle diese Bedingungen vorliegen, dann treffen auf geheimnisvolle Weise der Kummer Gottes und die menschliche Not zusammen, dann vereinigen sich die menschliche Hilflosigkeit und die Kraft Gottes. Dies alles tut die Liebe Gottes, die sich in allem ausdrückt, sowohl im Großen wie auch im Kleinen.

Lasst uns deshalb lernen, unser Herz wie ebenso auch unseren Verstand rein zu halten, damit wir uns so in unserer Not an Gott wenden können, ohne uns vor Ihm verstecken zu wollen. Auch wenn wir uns für unwürdig halten, an Ihn heranzutreten, sollten wir dies trotzdem tun und uns Ihm vor die Füße werfen und sagen: Herr, ich bin nicht würdig. Ich bin nicht würdig vor Dir zu stehen, nicht würdig deiner Liebe noch deines Erbarmens. Doch gleichzeitig weiss ich, dass Deine Liebe viel größer ist, als dass ich meine eigene Unwürdigkeit erfassen kann. Deshalb komme ich nun zu Dir, weil Du die Liebe bist und der Sieg, weil Du mir durch das Leben und den Tod Deines Einziggeborenen Sohnes gezeigt hast, wie wertvoll ich Dir bin. Denn Sein gesamtes Leben, all Sein Leid, Sein Tod, Sein Abstieg in die grauenvollen Abgründe der Hölle waren der Preis, den Du für mich bezahlt hast, damit ich teilhaben kann am ewigen Heil.

Lasst uns deshalb diese ideenreiche Hilflosigkeit erlernen, die darin besteht, dass wir jeglicher Hoffnung auf den Sieg durch den Menschen entsagen, um ganz überzeugt zu sein, dass Gott all das vermag, was wir nicht können. Möge unsere Hilflosigkeit ganz durchsichtig sein, ganz biegsam und voller Achtsamkeit und lasst uns so unsere Nöte an Gott abgeben: unsere Sorge um unser Ewiges Leben, aber auch all die einfachen Nöte unserer menschlichen Schwachheit, sei es unser Bedürfnis gestützt zu werden oder getröstet oder Erbarmen zu finden. Immer wird Gott antworten: Wenn du nur ein wenig glauben kannst, dann ist alles möglich!

Amen        

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