15. November 1987
Die heutige Erzählung über die Heilung eines Menschen, der von einer ganzen Legion Dämonen besessen war, zeichnet vor uns ein sehr anrührendes und wunderbares Bild, denn es zeigt, wie wertvoll jeder Mensch für Gott ist und wie sehr Er jeden schätzt.
Wir treffen in der Erzählung auf einen Menschen, der, wie jeder Mensch, in seiner Existenz so auf der ganzen Welt einzigartig ist. Um ihn, nicht nur um sein Schicksal in der Ewigkeit, sondern auch um sein Dasein auf der Erde, um seine seelische und physische Gesundheit streiten der menschgewordene Gott und der Widersacher, der Satan: Sie streiten um diese eine für sich einzigartige, menschliche Persönlichkeit, denn jeder von uns ist in den Augen Gottes unendlich wertvoll. Hat Christus etwa nicht selbst gesagt, dass der gute Hirte die neunundneunzig Schafe, die keiner Sorge bedürfen, allein lässt, um das eine zu suchen, das verloren gegangen war? Und so sehen wir Christus und Ihm gegenüber, von Angesicht zu Angesicht mit Ihm streitend, die Ursache und Quelle allen Bösens, den Fürst der Finsternis, den Satan. Die körperlichen und seelischen Leiden dieses Menschen sind ein Teil der Schrecklichkeit dieser Welt, die durch die menschliche Sünde, d.h. dadurch, dass der Mensch sich von Gott abgewandt hat, entstellt ist.
Und wir sehen Gott, der gekommen ist, um diesen Menschen zu retten. Nicht nur als ein geistiges Wesen, sondern in seiner gewöhnlichen und einfachen Existenz als Mensch. Die Heilige Schrift bezeichnet den Satan als den Widersacher, weil er alles Gute bekämpft, was Gott den Menschen anbietet. Und er kämpft gegen das Gute – und wiederum spreche ich mit den Worten der Heiligen Schrift – als Lügner und Mörder. Die Lüge ist der Versuch, einen Menschen in eine Welt des Unwirklichen zu locken oder hineinzustürzen, in eine Welt, in der man nicht leben kann. Die Lüge ist die Entstellung der Wahrheit mit dem Ziel, Leben unmöglich zu machen und es zum Untergang zu führen.
Christus ist die Wahrheit. Ist es nicht wunderbar, sich klar zu machen, dass Christus die Wahrheit ist? Nicht nur in dem Sinne, dass Er der wahre Gott ist. Er ist auch der wahre Mensch! Wenn wir uns an Christus wenden, dann wird sowohl unser ewiges Schicksal als auch unsere menschliche Ganzheitlichkeit wiederhergestellt. Das erkennen wir aus der heutigen Evangeliumslesung. Das Netz des Wahnsinns, welches der Lügner und Mörder geflochten hat, wird zerrissen von Dem, Der die höchste und vollkommende Wirklichkeit ist, sowohl die göttliche als auch die menschliche.
In dieser Geschichte gibt es aber noch einen anderen Punkt, auf den ich eingehen möchte. Der Mensch wurde geheilt und sein einzigster Wunsch war es nun, bei Dem zu bleiben, Der ihm seine Unversehrtheit wieder zurückgegeben hatte, Der ihm ein neues Leben - das ewige Leben bereits hier auf der Erde - ein menschliches Leben in all seiner Fülle aufgetan hat. Doch Christus gebietet ihm etwas anderes. Er sagt zu ihm: Kehr zurück in dein Haus und sage den anderen, was mit dir geschehen ist. ...
Das meint Er auch zu uns allen. In dem einen oder anderen Moment, und manchmal vielleicht auch im Verlaufe eines gesamten Zeitabschnitts, fühlen wir, dass wir den Saum des Gewandes Christi berührt haben und sich etwas ganz Neues: richtiges Leben, Schönheit und - ja die Wahrheit selbst - vor uns aufgetan haben. Und wir wollen daran festhalten und dort bleiben, wo dies mit uns geschehen ist. Das kann unter Menschen geschehen sein, die uns dieses Gefühl des Neuen gegeben haben oder durch das gemeinsame Gebet in der Kirche. Wo auch immer sich dies zugetragen haben mag und wir in aller Fülle all das erhielten, was Gott uns anbietet und gegeben hat, sollten wir immer seine Stimme hören, die zu uns spricht: Du hast Heilung erfahren, du bist nun ein neuer Mensch, geh deshalb nun zu den Deinen, geh zu deinen Freunden und zu all denen, die dieses Neue noch nicht erfahren haben und erzähle ihnen, was geschieht, wenn man Christus begegnen, dem Mensch gewordenen Gott! Berichte ihnen alles so, dass auch sie zu neuen Menschen werden können und schon jetzt hier auf Erden, bereits in der Zeit, in das ewige Leben eingehen können! ...
Dieses Wort ist nicht nur an den einen Menschen gerichtet, der vor so vielen Jahrhunderten geheilt worden war. Dieses Wort gilt für jeden von uns. All das, was uns gegeben ist, sollten wir auch verkündigen und es teilen, großzügig teilen, denn Millionen von Menschen dürsten nach einem Leben in Fülle, welche nur Gott zu geben vermag.
Lasst uns deshalb diese Botschaft vernehmen, die Botschaft, dass jede einzelne menschliche Perönlichkeit Gott so viel wert ist, dass Er alle anderen vergessen kann, um den einen mit Seiner Sorge zu umgeben, der in Not geraten ist. Deshalb ist auch der Satan so eifrig dabei, die Netze des Verderbens für jeden von uns zu flechten. Denn wenigstens einen den Händen Gottes zu entreissen, heisst, Gott jemanden wegzunehmen, den Er mit all Seinem Leben und all Seinem Tod lieb hat. Wenn wir das Volk Gottes sind, dann sollten wir darauf hören, was jenem Mensch gesagt worden war, uns darüber freuen, was uns geschenkt wurde und uns auf den Weg machen, um dieses zu teilen, um auch anderen jene Unversehrtheit und jene Erneuerung des Lebens zu bringen, die wir, wenn auch nicht immer, so doch in besonders gesegneten Momenten unseres Lebens in uns fühlen.
Amen