Die Heilung der Besessenen von Gadara(Mt. 8,28-9,1)
„Wir haben nicht gerufen: Kreuzige ihn! Doch kommt es dem nicht gleich, wenn wir zulassen, wenn ein Mensch Hungers stirbt oder sich vor Einsamkeit krümmt, wenn er von allen verlassen ist und es für ihn keinen Platz gibt unter den Menschen, so wie es auch für Christus damals keinen Platz gab, nicht einmal um zu sterben in der Stadt Jerusalem?“ – aus einer Predigt von Metropolit Antonij von Sourozh zur Heilung des Besessenen von Gadara
Статья

19.7.1981

„Lass uns in Ruhe! Verlass unsere Gegend!“ – war die Reaktion der Leute, die den Reichtum vorzogen, denen eine Herde Schweine und ein ruhiges und beschauliches Leben teurer waren als die Gesundheit und die Heilung eines Menschen. Geh fort von uns! Du machst all das kaputt, was uns etwas bedeutet, was viel wertvoller ist als irgend so ein Mensch. … Verlass uns! –waren auch Worte von (Dostojewskijs) Großinquisitor. Du störst uns nur, unser Vorhaben für eine gleichgültige Masse, die die Verantwortung gern an uns abgegeben hat, den Traum vom irdischen Wohlstand zu verwirklichen und diese glücklich zu machen. Scher dich fort! Du zeigst ihnen Wege, die zu beschreiten, viel zu schwer für sie sind. … Geh von uns! Sprachen auch die Oberen der Juden, vor Pontius Pilatus. Und wenn Du nicht selbst gehen willst, dann möge irgendeine grobe Gewalt von dieser Erde, uns vor Dir erretten. Und so wandten sie sich an Pilatus mit den Worten: Kreuzige Ihn, damit Seine furchtbare Predigt nicht weiter auf unseren Straßen zu hören ist, Seine ungeheuerliche Lehre von der bedingungslosen Liebe, die auch Opfer nicht scheut, Seine wahnsinnigen Worte von Sanftmut und Demut, von Selbstverzicht und Liebe, die bereit ist, alles zu geben, weil es nichts wertvolleres gibt als einen Menschen. …

Durch die gesamte Geschichte hindurch erschallt dieser Schrei: Geh fort! Du stehst uns im Wege bei unserem Bestreben nach Wohlstand, Sorglosigkeit und Vergessen. Dieser Ruf zieht sich durch die gesamte Geschichte des Menschengeschlechts. Und wir? Sind wir etwa die einzigen, gemeinsam mit einem kleinen Häuflein von Jüngern, die diese furchtbaren Worte nie direkt oder indirekt gesagt haben? Lasst uns uns das Gleichnis von den Lämmern und den Böcklein ins Gedächtnis rufen: Haben wir etwa nie einem Menschen, der uns in Not um Hilfe bat, geantwortet: Geh fort? Haben wir nicht vielmehr öfters einem Menschen, der nichts zum Anziehen hatte, geantwortet: Ich habe nichts mehr von dem, was ich einst getragen habe und von dem, was ich mir neu gekauft habe, kann ich dir natürlich nichts geben. Geh also weg! Haben uns nicht auch manche Bettler auf der Straße angehalten, denen wir dann, mit einer vollen Einkaufstasche geantwortet haben: Ich kann dir nichts geben, ich habe alles ausgeben?  Aus unserer Tasche aber haben wir nichts herausgenommen, unsere Geldbörse nicht geöffnet. Stattdessen immer wieder geantwortet: Scher dich weg!  Oder aber – und was kann es grausameres geben! – wir tun so, als ob wir diesen Menschen gar nicht sehen und gehen vorbei. Wir streifen ihn mit einem Blick von der Seite, so dass er weiß, dass wir ihn gesehen haben, geben ihm aber trotzdem zu erkennen, dass er für uns nicht existiert. Wir löschen ihn so in seiner Existenz aus. Es geschieht auch, dass ein Dieb oder ein Krimineller an unsere Tür klopft. Ich bin gerade aus dem Gefängnis entlassen worden. Ich brauche etwas Geld. Ich brauche etwas zum Anziehen, um eine Arbeit zu finden … Und wie oft musste ein solcher Mensch von einem angeblichen Christen hören: Mit einem wie dir, rede ich nicht. Scher dich fort! Wie oft kam es schon vor, dass jemand im Krankenhaus auf unseren Besuch gewartet hat. Aber nein! Dahinein gehen wir nicht. Da kann man sich ja anstecken. Es ist besser dorthinein keinen Schritt zu tun. Möge er selbst klarkommen. Mögen wir mit ihm nichts zu tun haben. …

So war es auch, als in jener Dezembernacht ein betagter Mann, der eine junge, schwangere Frau bei sich hatte, an sämtliche Türen von Bethlehem klopfte, ihm sich aber keine öffnen wollte. Bei uns ist es still und gemütlich. Wir haben uns im Kreise der Familie zusammengefunden. Einen Fremden wollen wir jetzt nicht. Soll er sich eine andere Herberge suchen oder in jene Höhle, in jenen Pferch begeben, wo die Armen ihren Ochsen halten und ihren Esel. Um uns jedoch möge er einen Bogen machen!

Wie oft schon ist es so gewesen -  im Leben eines jeden von uns, so auch in meinem eigenen – dass ein Mensch voller Kummer zu uns kam, wenn wir selbst von Licht und Freude erfüllt waren. War unsere Antwort dann nicht oft: Lass mich in Ruhe, verdirb mir nicht meine Freude? In unserem Hause ist Hochzeit, wir feiern ein Fest, wir sind voller Jubel. Wirf keine dunklen Schatten auf unsere Ausgelassenheit, denn wie selten können wir uns so freuen! Auch umgekehrt geschieht es, dass ein Mensch in ein Haus kommt, wo Trauer herrscht. Auch hier antwortet man ihm oft: Geh weg! Es ist bei uns schon dunkel genug, uns reicht unser eigenes Leid. Mach du es nicht noch größer! Der Kelch ist schon bis zum Rand gefüllt. Lass ihn nicht überlaufen! Geh weg von uns! …

Und so könnte man ein Beispiel nach dem anderen aufzählen. Ohne Ende. Nicht aus dem Leben von anderen, sondern aus unserem eigenen, aus meinem, aus eurem. So verfuhren die Menschen mit Christus. Hat der Heiland uns nicht gesagt, dass wir das, was wir einem von den Kleinsten hier getan haben, Ihm getan haben? Bedeutet es also nicht, dass wir so Ihm geantwortet haben: Geh weg! Du nimmst uns das, was uns mehr wert ist als Deine Gegenwart und all derer, die Du so geliebt hast, dass Du für sie Dein Leben hingegeben hast, dass Du für sie die Grauen der Nacht im Garten Gethsemane ertragen hast, die Kreuzigung Deines Leibes, die schrecklichen Stunden, als es Dir schien, von Gott verlassen zu sein? Das alles lässt uns kalt. Du liebst den Menschen so. Nicht wir, ich nicht.  …

Wir haben nicht gerufen: Kreuzige ihn! Doch kommt es dem nicht gleich, wenn wir zulassen, wenn ein Mensch des Hungers stirbt oder sich vor Einsamkeit krümmt, wenn er von allen verlassen ist und es für ihn keinen Platz gibt unter den Menschen, so wie es auch für Christus damals keinen Platz gab, nicht einmal um zu sterben in der Stadt Jerusalem? Ist dies alles nicht genau das Gleiche, wie an ein Kreuz geschlagen zu sein, wie von Gott verlassen zu sterben, wie ein langsamer und bitterer Tod, wenn vor dem Leib bereits der Glauben an den Menschen und an Gott erstirbt, wenn auch die Hoffnung stirbt und die Liebe erlöscht?

Darüber spricht dieses uns so bekannte Gleichnis. Die gesamte Erzählung führt hin zu den Worten, die sich Christus anhören musste, nachdem Er voller Mitleid und Barmherzigkeit, Seine Liebe und Seine Göttliche Macht walten ließ: Geh von uns! Du nimmst uns unseren irischen Wohlstand. Das Himmlische brauchen wir nicht. …

Lasst uns deshalb der Worte des Heilandes gedenken: Sucht zuallererst das Himmelreich und alles andere ergibt sich von selbst: Ja es ergibt sich. Es wird nichts weggenommen. Es ergibt sich vielmehr da, wo der Himmel auf Erden ist und alles in Fülle vorhanden sein wird.

Amen

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