Von Wunderheilungen am Sabbat
„Gott ist in die Zeit getreten und wir sind mit Gott verbunden und deshalb in dieser, unserer Zeit dazu berufen, Seine Taten fortzusetzen. Wir begreifen dies nicht genug. Wir sind uns des Maßstabes unserer Berufung als Christen nicht ausreichend bewusst. Wir verstehen nicht ganz, dass wir dazu berufen sind, gemeinsam mit Christus und ebenso wie Christus die Welt zu verwandeln. Er nennt uns Kinder des Lichts, so wie Er sich als das Licht der Welt bezeichnet. Wir sollten deshalb so wie Er ganz Licht sein, welches die Finsternis durchdringt und der Dunkelheit ihre Schwärze und Undurchsichtigkeit nimmt.“ – aus einer Predigt zum Thema Wunderheilungen am Sabbat von Metropolit Antonij von Sourozh
Статья

März 1975

In Evangelium lesen wir öfter, dass Christus an einem Sabbat das eine oder andere Wunder vollbracht hat und damit Unverständnis bei den einen und sogar Empörung bei anderen  hervorgerufen hat.  Bei den vielen einfachen Menschen jedoch löste Er damit große und tiefe Freude aus, denn sie dachten in keiner Weise daran, dass Er damit das Gesetz verletzen würde. Sie freuten sich einfach, dass Gott, auch wenn damit angeblich das Gesetz missachtet würde, Seine endlose Güte, seine wohlüberlegte Fürsorge auf die Menschen ergießt. Uns stellt sich nun die Frage, warum Christus gerade auch am Sabbat, wohl wissend, dass Er damit gegen das alte Gesetz verstößt, Seine Barmherzigkeit erweist? Warum drückt sich diese Barmherzigkeit immer in Wundern aus? Er heilt körperlich kranke Menschen und löst gleichzeitig auch eine geistige Wiedergeburt dieses Menschen aus.  Erweist etwa Christus Sein Erbarmen, vergibt Er durch Seine göttlich Macht Sünden und erneuert Menschen in ihrer seelischen und körperlichen Ganzheitlich- und Unversehrtheit am Sabbat, nur um bei den Menschen Unverständnis auszulösen? ...

Dies ist keine sinnlose Frage, denn alles, was Christus betrifft, geht uns auf eine unmittelbare und ganz persönliche Weise etwas an. Wenn Christus am Sabbat geheilt hat und die Apostel es für nötig hielten, uns dies so auch zu übermitteln, dann deshalb, damit wir darüber nachdenken, damit wir daraus auch unsere Schlüsse ziehen, welche zu ziehen die Leute der damaligen Zeit nicht in der Lage waren, weil sie Christus noch nicht kannten, nicht wussten, wer Er ist und deshalb nicht verstehn konnten, was wir heute verstehen können.

Gott ruhte von Seinen Werken am siebten Tag aus. Sechs Tage hindurch hatte Er die Welt erschaffen. Sechs Tage hindurch sehen wir, wie Er zuerst aus dem Nichts, dann aus dem Chaos des Lebens das eine nach dem anderen hervorbringt, ein Wesen nach dem anderen erschafft und sich der gesamte Kosmos so Schritt für Schritt entfaltet, und dieser wie eine Blume zu blühen beginnt. Jeder Tag beginnt am Abend und im Verlaufe eines jeden Tages bricht ein neuer Morgen an. Jeder Morgen ist wiederum, wenn man ihn bezüglich des nächsten Tages betrachtet, ein Abend. Das Leben entfaltet sich von einer Herrlichkeit zur nächsten. Eines immer schöner als das andere. Das eine immer größer als das andere. Als alles vollbracht ist, als der Mensch geschaffen ist, das Abbild Gottes auf der Erde, dem Gott Seine Fürsorge für diese Erde überträgt, beendet Gott Sein Schaffen und ruht aus von Seinen Taten aus.

Was jedoch weiter? Die Erde ist dem Menschen übergeben. Wie hat der katholische Bischof König einmal gesagt: Der siebte Tag, der Tag der Ruhe Gottes ist der Tag des schöpferischen Tuns für den Menschen. Und dieser siebte Tag ist die Zeit, in der wir leben. Im Alten Testament, vor Christus, hatte der Mensch sich bemüht eine menschliche Gesellschaft zu errichten, eine Statt des Menschen zu bauen. In diesem Bemühen haben sich wahre Inspiration, viel Schönes, aber auch viel Furchtbares und Hässliches miteinander verflochten. Die Sünde des Menschen vermengte sich auch furchtbare Weise mit der göttlichen Wahrheit. Die Inspiration, die der Mensch von Gott empfing, traf auf die Sündhaftigkeit, die der Mensch selbst ins Sein gerufen hatte. Und es kam zu dem Moment, zur Fülle der Zeit, in dem Gott Selbst in die menschliche Geschichte eintrat, in dem der Sohn Gottes zum Menschensohn wurde und das Wort Fleisch. In diesem Moment, in diesen kurzen dreiunddreißig Jahren gab es unter den Menschen Einen, der im wahren und vollen Sinne dieses Wortes Mensch war. Er war der vollkommene Mensch. Er war vollkommen, weil Er gleichzeitig auch ganz Gott war. Denn solange sich der Mensch noch nicht ungetrennt und für immer und bis in die tiefsten Gründe mit Gott vereint hatte, war er noch nicht Mensch im vollen Sinne, solange war er noch auf seinem Weg zum Mensch zu werden. Christus, da Er Gottmensch war, war Mensch im vollen Sinne dieses Wortes. In Seiner Person fand auch die Zeit des Menschen ihre Erfüllung. Er, der einzig vollkommene Mensch, konnte in diesen siebten Tag treten und an ihm den Willen Gottes tun, der vollkommen ist und unser Heil im Auge hat. Dieser siebte Tag, der für den Vater ein Tag der Ruhe ist, ist gleichzeitig mit Seiner  Menschwerdung der Tag des Gottessohnes.

Dem Menschen war es von Gott aufgetragen, all das in der Schöpfung, was Gott nur im Keim angelegt hatte, zur Vollendung zu führen. Der Heilige Maximos Confessor schreibt, dass der Mensch zwei Welten angehört: Mit seinem Leib der Erde und mit seiner Seele den geistigen  Wesen. Mit seinem Geist jedoch gehört er auch der göttlichen Welt an. Denn im ihm kommen sowohl das eine also auch das andere Prinzip zusammen. Ihm war es gegeben, das Bindglied zu sein, welches die Erde und den Himmel verbinden kann und aus der Erde ein Reich des Geistes zu machen. ...

Doch die Menschheit ist gefallen, die Welt wurde verunstaltet und hässlich. Der Tod erhielt eine grenzenlose Macht und das Böse treibt fast ohne Hindernisse sein Unwesen. Dem Menschen obliegt es, das Böse zu besiegen und Gott die geschaffene Welt in einem solchen Zustand zurückzugeben, wie Er sie geschaffen hatte, wie Er sie dem Menschen übergeben hatte. Der Mensch hatte sie jedoch durch seinen Fall dem Verrat preisgegeben und sie zerstörerischen Mächte ausgeliefert. Die Rolle des Menschen besteht darin, mit seiner Rückkehr zu Gott, mit seiner Hinwendung an Ihn, dass was geschehen ist, zu heilen und die Schöpfung dorthin zu führen, wohin sie eigentlich geführt werden sollte – ins Reich Gottes.

Christus der vollkommene Mensch, da Er zugleich auch ganz Gott ist, zeigt uns an diesem siebten Tag quasi als Gleichnis unsere Berufung. Er heilt unsere Leiber, erneuert unsere Seelen und stellt somit die Einheit zwischen Gott und der Schöpfung wieder her, die einst verloren gegangen war. Deshalb sind die Wunderheilungen an einem Sabbat nicht nur einfach eine Provokation oder Beleidigung für die, die nur auf den Buchstaben im Alten Testament und im Gesetz schauten, sondern eine Notwendigkeit. Christus vollbringt am siebten Tag das, was es am siebten Tag zu tun gilt. Der siebte Tag ist der Tag des Menschen, ist die Stunde des menschlichen Schöpfertums.

Dieser siebte Tag ist nicht nur der Sabbat, das Ende der alttestamentlichen Woche. Dieser siebte Tag ist die gesamte Zeitspanne, die dem Mensch übergeben ist und sich austreckt von dem Tag an, an dem unser Herr und Gott von Seinen Werken ausruht bis zu dem Tag, an dem Christus erneut in Seiner Herrlichkeit erscheinen wird, um diesmal die Lebenden und die Toten zu richten, um das Gottesreich zu errichten, den Beginn der Ewigkeit. Mit der Menschwerdung Christi hat nun dieser siebte Tag jetzt eine ganz neue Bedeutung und einen neuen Gehalt gewonnen. Es ist nicht mehr der Tag, an dem Gott von Seinem schöpferischen und alles vervollkommendem Tun ablässt, um es dem Menschen zu überlassen. Es ist nun eine neue Zeit, in die Gott Selbst mit seiner Barmherzigkeit, Seinem Mitleid und Seiner Liebe eingreifft, ja Selbst in sie eingetreten ist, um uns zur Seite zu stehen. In einem gewissen Sinne trägt dieser siebte Tag mit der Menschwerdung Christi quasi im Keim bereits die gesamte Herrlichkeit, all die Tiefe und sieghafte Kraft dessen, was die Heilige Schrift den Achten Tag nennt, in sich, an dem Gott herrscht und es keinen Tod mehr gibt, an dem nichts mehr übrig sein wird von dem Bösen und von der Trennwand zwischen Gott und dem Menschen. ...

Wenn wir über das Ende der Zeit nachdenken, gehen unsere Gedanken meist hin zum Jüngsten Gericht und zu dem, was danach kommt. Christus sagt uns im Evangelium sehr deutlich, dass das Gericht bereits gehalten wird, da Gott in diese Welt gekommen ist. Als Er durch Seine Menschwerdung das erste Mal zu uns gekommen ist, wurde Er kaum bemerkt. Er kam leise und wurde nur von denen erkannt, deren Gewissen rein war und denen es der Vater offenbart hatte.

In dieser Zeit, an diesem Siebten Tag, an dem wir leben, in den die Ewigkeit und bereits eingewoben ist, sollten wir in der Tat leben und schöpferisch wirksam sein. Christus hat uns dies klar an jenen Sabatten gezeigt, an denen Er Seine Wunder vollbrachte. Er hat Körper geheilt und Seelen mit neuem Leben erfüllt. Gott ist in die Zeit getreten und wir sind mit Gott verbunden und deshalb in dieser, unserer Zeit dazu berufen, Seine Taten fortzusetzen. Wir begreifen dies nicht genug. Wir sind uns des Maßstabes unserer Berufung als Christen nicht ausreichend bewusst. Wir verstehen nicht ganz, dass wir dazu berufen sind, gemeinsam mit Christus und ebenso wie Christus die Welt zu verwandeln. Er nennt uns Kinder des Lichts, so wie Er sich als das Licht der Welt bezeichnet. Wir sollten deshalb so wie Er ganz Licht sein, welches die Finsternis durchdringt und der Dunkelheit ihre Schwärze und Undurchsichtigkeit nimmt. Ein westlicher Geistlicher hat einmal gesagt, dass ein Christ ein Mensch ist, dem es Gott aufgetragen hat, für andere Menschen, für die Welt, ja für alles zu sorgen. Genau davon sprechen die Wunder Christi an einem Sabbat. An diesem Siebten Tag sollte alles zum Heil geführt werden, was durch die Sünde verletzt ist, sollte alles auferstehen, was durch den Tod gezeichnet ist, sollte wieder alles zum Bild und Gleichnis Gottes werden, was verunstalten wurde. Dies bedeutet Arbeit und sie beginnt für jeden von uns an uns selbst. Doch nicht nur. Denn unsere Berufung besteht nicht nur darin, uns selbst zu ändern, sondern das Licht, die Wärme und die Liebe des Herrn zu sein, denn wir gehören zu Ihm .

Amen 

Комментарии ():
Написать комментарий:

Другие публикации на портале:

Еще 9