Pilgerfahrten in der Umgebung von Offenbach: Drei Heilige der angelsächsischen Mission Deutschlands
Hl. Bonifatius von Fulda, Hl. Schwester Lioba und Hl. Wigbert der Ältere, über das Leben dieser drei Heiligen und ihre Wunder, über ihre Standhaftigkeit im Orthodoxen Glauben und ihre Bedeutung für die orthodoxen Christen unserer Zeit erzählt in einem in der Rumänischen Gemeinde Offenbach am Sonntag der Orthodoxie 2009 gehaltenen Vortrag Frau Cornelia Hayes.
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Wir stehen am Anfang der Fastenzeit. Darum möchte ich drei besonders wichtige Heilige in den Mittelpunkt stellen, und versuchen, Ihnen diese auch persönlich ein wenig näher zu bringen. Denn wenn wir Reliquien besuchen, bauen wir auch eine Beziehung zu den Heiligen auf, bei deren Reliquien wir beten.

Indem ich also vom Heiligen Bonifatius und seinen beiden großen Schülern, den Heiligen Lioba und Wigbert, erzähle, möchte ich so vorgehen, wie dies von der Heiligen Lioba aus ihrem ersten Kloster in England überliefert ist. Schon die junge Novizin, so hören wir, bemühte sich, bei jeder ihrer Mitschwester besonders gute Eigenschaften herauszufinden, und jede dieser guten Eigenschaften nachzuahmen „indem sie der Enthaltsamkeit dieser, der Heiterkeit jener nachstrebte, die Leichtigkeit jener, die Geduld einer anderen, die Sanftmut einer dritten bewunderte, dieser im Wachen, jener im Lesen gleichzukommen sich bemühte." (Rudolf von Fulda, in der über Internet zugänglichen Übersetzung von Vater Milutin aus dem  Kloster des Heiligen Hiob in München).

Ich möchte Sie also einladen zu einem Versuch, auch bei diesen drei großen Heiligen die Eigenschaften herauszufinden, die wir selbst uns in unserem Leben nachzuahmen bemühen könnten.

 

Winfried von Crediton - Bonifatius von Fulda (675 - 754   5. Juni)

Die entscheidende Rolle bei der Christianisierung Hessens, kommt Winfried-Bonifatius zu. Winfried wurde 672/3 in Crediton im Südwesten Englands geboren. Er erhielt eine klösterliche Erziehung, ab 718 missionierte er in Nord- und Westdeutschland. Er gründete 8 neue Bischofssitze; durch ihn und seine Schüler entstanden weit über hundert Klöster.

Er starb auf seiner letzten Missionsreise am 5. Juni 754 in Friesland bei einem Raubüberfall.

Die Bedeutung von Bonifatius für die Christianisierung von Friesland, Thüringen, Bayern und Hessen, also sein Apostolat für die Kirche, und damit auch der Grund für seine Verehrung als Heiliger, ist nicht ganz leicht zu greifen. Man muß zunächst einigen Mehltau abtragen, der sich auf seine historische Wahrnehmung, und dann auch auf seine Beurteilung bei orthodoxen Christen gelegt hat. Ich werde diese Hindernisse also zunächst beseitigen, bevor ich im zweiten Teil zu seiner Bedeutung komme.

 

A     Hindernisse bei der Wertschätzung des Heiligen Bonifatius

In der hier in Deutschland verbreiteten Literatur heißt es gewöhnlich, der vierzigjährige Missionar Winfried habe aus seiner englischen Heimat ein Christentum mitgebracht, das auf eine deutliche Rom-Orientierung ausgerichtet war.

Bei orthodoxen Christen, die „Rom" als heterodox kennen, weckt dies zunächst Besorgnisse.

Aber diese Besorgnisse verschwinden, wenn man ein wenig genauer auf die historische Situation und die Bedingungen der westlichen Bonifatius-Rezeption blickt. Drei Überlegungen sollen helfen, die Hindernisse, die orthodoxe Christen daran hindern könnten, Bonifatius richtig einzuschätzen, zu beseitigen.

 

1. Der Zustand der fränkischen Kirche

Bei seinen Missionsbemühungen in Friesland fand Winfried Heiden vor, die sich gegen fränkische Eroberer wehrten. Das Christentum wurde als Religion der Eroberer verstanden. Die fränkische Kirche (seit 550 um Utrecht) hatte die Friesen nicht mit den neuen Herrn als Trägern eines überlegenen Glaubens versöhnen können. Das lag (Krumwiede, Kirchengeschichte Niedersachsens) daran, daß die fränkischen Missionare mit dem Glauben immer auch die Machtinteressen ihrer Fürsten vertraten.

Die Angelsächsischen Missionare hatten von Anfang an bei den Friesen größeren Erfolg, weil sie durch persönliche Askese und mit Liebe missionierten.

Auch bei Bonifatius' späteren Bemühungen, zuerst als Missionsbischof, später als Erzbischof und päpstlicher Legat, die von ihm gestärkte Kirche in den rechtsrheinischen Gebieten zu organisieren, blieb der fränkische Episkopat feindselig. Der Grund lag in der Problematik der fränkischen Kirche.

Diese Kirche war seit dem 6. Jahrhundert, also seit durch die Taufe des Frankenherrschers Chlodwig (um 500) das Christentum zur Regierungssache und die Kirche zum Machtfaktor wurde, durch zwei sehr verschiedene Tendenzen bestimmt: es gab Klöster und stark monastisch geprägte Bischöfe auf der einen Seite. Auf der anderen Seite regierten die Frankenherrscher die Kirche autokratisch und setzten sie für ihre Herrschaftsinteressen ein. Damit erlangten diejenigen Bischöfe größeren Einfluß auf die Kirchenpolitik, die ihre Stellung ihrer Herkunft aus dem örtlichen Adel verdankten und eng mit dem Hof zusammenarbeiteten. Diese Bischöfe lebten nicht geistlich, sondern hielten am heidnischen Ethos der Germanen fest.

Bonifatius Reform konzentrierte sich zuerst auf die neu-eroberten Gebiete des Frankenreichs rechts des Rheins,wo noch keine festen Kirchstrukturen bestanden. Als er sie aber auch auf die fränkische Kirche links des Rheins ausdehnte, bis ins heutige Frankreich hinüber, wo die geistliche Macht in festen Händen lag, fand er keine Gegenliebe.

Wenn er sich also nach Rom wandte (auf insgesamt drei Reisen: 719, 722, 737/8), so geschah dies, um Rückhalt zu gewinnen gegen die Widerstände des fränkischen Episkopats.

 

2. Der Zustand Roms

Wie Vater Andrew Philipps in seiner schönen (inzwischen auch auf Deutsch übersetzten) Bonifatius-Biographie mit Recht hervorhebt, war Rom im 8. Jahrhundert ein Hort der Orthodoxie. Von den vier Päpsten, mit denen Bonifatius im Verlauf seiner langen Tätigkeit zusammenarbeitete, war Gregor III ein Syrer, und Zacharias ein Grieche. Die Verbindung zur Einheit der Kirche war lebendig.

Aber noch wichtiger: Konstantinopel selbst stand unter der kaiserlichen Herrschaft eines Ikonoklasten. Die römischen Patriarchen blieben rechtgläubig. Damals stimmte die päpstliche Lehre mit der Lehre der Kirche zusammen.

Der einzige Schwachpunkt allerdings war der schon damals vertretene universale päpstliche Primatsanspruch und Hierarchismus, der das Kirchenverständnis Roms verzerrte. Hier fand sich Bonifatius durch die Widrigkeit der Umstände in seinen Missionsländern zu einem übertriebenen Verständnis von Gehorsam verführt. Aber immerhin, - für Bonifatius war der Gehorsam gegenüber seinem Patriarchen des Westens ein Ausdruck seiner Rechtgläubigkeit und monastischen Demut.

 

3. Der Zustand der Bonifatius-Rezeption

In Deutschland wird Bonifatius von der vatikanischen Christenheit als ihr Haupt-Heiliger für sich beansprucht. Man nimmt von seinen Anliegen nur wahr, was mit späteren häretischen Entwicklungen in Rom zusammenstimmt. Hierzu gehört die Überbewertung des intellektuellen Zugangs zum Christentum: Lehre, Studium, Schulmäßigkeit der Mission.

Auch wird nicht genug unterschieden zwischen den Machtinteressen der Karolinger, die für die Ersetzung der Merowinger Roms Autorität brauchten, und Bonifatius' Seelsorger-Interessen, die ohne Rom nicht durchgesetzt werden konnten.

Leider hat Bonifatius auch selbst den Zwangszölibat für Priester durchgesetzt (eine Häresie die bei der Synode von Ankyra 314, bestätigt durch das erste Konzil von Nicaea 325, verurteilt worden war). Aber er tat das wohl in einem etwas übertriebenen Gehorsam gegen seinen Patriarchen, der einem Mönch wohl verziehen werden mag. Und sowieso haben viele Heilige theologische Irrtümer vertreten, - daran soll seine Verehrung also nicht scheitern.

 

B   Die Bedeutung des Heiligen Bonifatius für orthodoxe Christen

Wenn man all diese Verzerrungen und Irrtümer abzieht, wird Bonifatius als ein von Gott selbst verherrlichter Heiliger sichtbar. Ich möchte nun zuerst von einigen Zeichen sprechen, die seine Heiligkeit bekräftigen. Erst danach soll seine Vorbildlichkeit für uns heutige Christen in den Blick treten.

 

1. Zeichen seiner Heiligkeit

Hierzu gehören seine Missionserfolge, seine Wunder, und sein Martyrium.

 

a) Missionserfolge

Bereits zu Lebzeiten wurde Bonifatius von der Kirche in England als Missionar und Apostel verehrt. Sein Wirken im östlichen Frankenreich war gesegnet. Dort hat er - wie in Friesland und Hessen - von Grund das Christentum eingepflanzt, oder - wie in Thüringen und Bayern - eine sehr dünne Christianisierung seiner Vorläufer gereinigt und gefestigt. All dies wurde schon früh als ein Zeichen seiner göttlichen Verherrlichung erkannt. Gleich nach seinem Tode wurde er dort neben Gregor I und Anselm von Canterbury zum dritten Patron des Landes erklärt (Philipps).

 

b) Wunder

Daneben spielen die Berichte über von ihm gewirkte Wunder, besonders nach seinem Tode, eine wichtige Rolle.

Viele ereigneten sich bei der Übertragung der Reliquien des Heiligen von Mainz nach Fulda. Diese Wunder wurden an den Orten des Geschehens selbst bestätigt: dort, wo eine heilige Quelle entsprungen ist, als die Bahre des Heiligen den Boden berührte, oder wo ein Heilungswunder stattgefunden hat, sind die Brunnen gefasst und Kapellen erbaut worden. Seit 754 ist an diesen Stellen die Bonifatius-Verehrung lebendig geblieben.

Man hat darum heute sogar den Weg dieser Reliquien nachzeichnen können und - ihm folgend - einen für heutige Pilger gehbaren Pilgerweg eingerichtet.

 

c) Martyrium

Wenn somit Bonifatius ein Geist-Träger war, wird auch das Ungewöhnliche seines Ablebens weniger problematisch. Es geht um sein Martyrium.

Sie haben bemerkt, dass die englische Ikone des Heiligen ihn in weiß kleidet, also nicht im Rot der Martyrer. Auf anderen Ikonen trägt er einen roten Mantel.

Was hat es mit diesem Martyrium auf sich?

Gegen Ende seines Lebens übergab Bonifatius sein Bischofs-Amt in Mainz seinem Schüler Lullus, um noch einmal bei den Heiden in Friesland zu missionieren. Dort überfielen friesische Räuber sein Lager, nicht, weil sie etwas gegen seine Botschaft hatten, sondern weil sie bei ihm Geld vermuteten. Bonifatius hat um seines Zeugnisses für Christus willen auf Gegenwehr verzichtet. Er hat auch seine Gefährten angewiesen, keine Gegenwehr zu leisten und sie zum Martyrium ermutigt. Ich habe bisher keine Belege dafür gefunden, dass die Reliquien dieser Gefährten gesammelt oder erhoben worden wären. Aber immerhin, diese Gefährten wurden in die Heiligenkalender aufgenommen. Als geistlicher Vater konnte er seinen Priestern und Mönchen den Segen zum freiwilligen Martyrium durchaus geben. Auch haben sich nach seinem Tod die Friesen in großen Scharen zu Christus bekehrt.

Dennoch wurde zwar Bonifatius nach seinem Ableben zumindest von den Mönchen seines Fuldaer Klosters ausschließlich als heiliger Mönch, nicht aber als Martyrer verehrt. Die kirchliche Anerkennung seines Martyriums kam erst später. Auch wir können ihn als Martyrer ehren.

Nimmt man dies alles zusammen, so können orthodoxe Christen den heiligen Bischof Bonifatius in der Tat als einen verehrungswürdigen Fürbitter bei Gott ansehen.

 

2. Seine Bedeutung als Vorbild

Was ist es nun genauer an seiner Vorbildlichkeit als Mönch, das Bonifatius für nicht-Mönche zu einem hilfreichen Begleiter macht?

Ich möchte mich auf seine geistliche Orientierung, seine Unerschrockenheit und seine geistlichen Führungsqualitäten beschränken.

 

a) Die geistliche Orientierung

Bonifatius soll schon in frühen Kinderjahren seine Gedanken auf Gott gerichtet haben.

Als kleiner Junge erlebte er mit, wie Wandermönche zum Predigen auf den Hof seines Vaters kamen. Von ihren Worten bezaubert bedrängte er seinen Vater so lange mit dem Wunsch nach einem klösterlichen Leben, bis dieser nachgab.

Erwachsen geworden, widersetzte er (nach Father Andrews Quellen) sich dem Plan des Vaters, mit den im Kloster erworbenen Kenntnissen das väterliche Gut weiterzuführen.

Auch später hat er große Opfer gebracht, um dem Missionsbefehl Christi zu gehorchen. Er war ein weit bekannter geistlicher Vater für zahlreich zu ihm hinstrebende Schüler. Er war ein allseits gerühmter und gesuchter Ratgeber seiner Kirche und der politischen Herrscher. Alles gab er auf, um den stammesverwandten Friesen und Sachsen jenseits des Kanals Christus zu bringen. Auch als er nach seiner ersten (aus politischen Gründen erfolglosen) Friesenreise nach England zurückgekommen war, legte er die ihm übertragene Stellung eines Abtes in seinem Kloster ab, um erneut als Missionar zu wirken.

Diesen Gehorsam und diese Hingabe an den Ruf Christi hielt Bonifatius sein ganzes Leben lang unter den allergrößten Schwierigkeiten und Prüfungen durch. Weder Misserfolge noch Widerstände konnten ihn von seinem Weg abschrecken.

Auch als bedeutendster Kirchenpolitiker seiner Zeit blieb er im Herzen, und wo er konnte auch in der Praxis, Mönch. Zumindest ab 743, als sein kirchenpolitischer Einfluß schon sehr abgeschwächt war, widmete er viel Zeit und Kraft dem Aufbau seines größten und Musterklosters unter seinem Schüler Sturmius im heutigen Fulda. Anders als in den zahlreichen Missionsklöstern, die durch ihre Aufgabe auf starken Außenkontakt angewiesen waren, wollte er hier das Mönchtum in seiner reinen benediktinischen Form pflegen. Hier verbrachte er darum jedes Jahr längere Zeit in einer Zelle, in der Stille des Gebets auf einem Berg, der darum lange Bischofsberg hieß.

Bonifatius hat zwischen seinem 40. und 70. Lebensjahr eine ungeheure Leistung vollbracht. Unermüdliche Reisen (3 nach Rom), Korrespondenzen, ununterbrochene Mühen beim Predigen auf Dörfern und in Hofsiedlungen, bei Verhandlungen mit Fürsten oder Streitereien mit widerspenstigen Klerikern. Dazu die Sorgen und Enttäuschungen. Bei alledem ist dieses Festhalten an der Askese und am Bemühen um die Stille bewundernswert.

 

2. Seine Unerschrockenheit

Bonifatius lebte so sehr im Glauben, dass er für persönliche Gefahren keinen Sinn hatte. Dieser Mut lag natürlich schon seinem Entschluss zur Heidenmission zugrunde.

Bei seiner ersten Ankunft in Friesland fand er die vom Heiligen Willibrord erbauten Kirchen zerstört, seinen Vorläufer weit weg im fränkischen Exil. Unbekümmert setzte Bonifatius eine Audienz beim heidnischen Fürsten Radbod durch.

Ähnlich kühn begab er sich zu heidnischen Fürsten in Hessen, um sie durch seine Überzeugungskraft zu bekehren. Dann wagte er - und das wurde zum spektakulärsten Akt seiner Mission, das zentrale Heiligtum der örtlichen Bevölkerung, die Donar-Eiche in Geismar, zu zerstören.

Oft wird gesagt, dass Bonifatius hier nicht viel riskiert hätte, weil in der nahen Garnison auf dem Büraberg fränkische Truppen zur Hilfe bereit standen. Aber das finde ich schwer nachvollziehbar: Wären die Germanen vor Ort wütend geworden, hätten die fränkischen Krieger auch nur noch seine sterblichen Überreste einsammeln können.

Dieselbe Rücksichtslosigkeit zeigte er im Umgang mit den Mächtigen aller Art. In den bereits oberflächlich christianisierten Thüringen und Bayern drängte er kompromisslos Herrschern und Klerus seine geistliche Reform auf. Ebenso kompromisslos konfrontierte er den fränkischen Episkopat mit seiner Kritik an ihrer unkanonischen Lebensweise. Selbst als sein großer Förderer, der Franken-Hausmeier Karl Martell, seine Unterstützung für diesen im fränkischen Adel so unbeliebten Missionar zurückfuhr, wich Bonifatius kein Stück von seinen Forderungen ab. Sogar seinen Patriarchen Papst Zarachias tadelte er, weil dieser heidnische Gebräuche in Rom duldete und für Bischofsernennungen in Neustrien hohe Gebühren verlangte.

Bei all diesen Konfrontationen ging es ihm um die geistliche Ausrichtung der Kirche, und um die Integrität des christlichen Glaubens und der christlichen Lebensführung. Mit dieser Entschiedenheit stellt Bonifatius ein deutliches Gegenbild gegen die Versuchung dar, um jeden Preis nach Anerkennung und Beliebtheit zu streben. In unserer weit gehend kulturell reduzierten christlichen Umgebung hier in Deutschland ist diese Versuchung, so scheint mir, für uns orthodoxe Christen besonders gefährlich: Im Bestreben nach Zugehörigkeit neigen wir dazu, uns anzupassen. Ich meine, wir könnten bei aller Höflichkeit und Freundlichkeit gegenüber denen, die sich wie wir Christen nennen, ein wenig deutlicher die Wahrheit des Evangeliums einfordern und uns gegen seine Verfälschungen wehren.

 

3. Seine geistlichen ‚Führungsqualitäten'

Schon als Priestermönch im englischen Kloster Nursling zog seine Lehrtätigkeit Scharen von Schülern aus anderen Klöstern im ganzen Land an. Er muss ein faszinierender Lehrer und geistlicher Mentor gewesen sein.

Dies wird besonders anschaulich an der Geschichte mit Gregor. Bonifatius hatte mit dem Heiligen Willibrord, ebenfalls einem Engländer, bei dessen Mission der Friesen mitgearbeitet. Als dieser ihn aber als seinen Suffraganbischof dauernd an sich binden wollte, reiste er weiter, um auch im Binnenland zu missionieren. Er machte Station im Kloster Pfalzl bei Trier. Dort las ein 14-jähriger Junge im Refektorium auf Lateinisch aus der Bibel vor, und dies so fehlerlos, dass Bonifatius erstaunte. Er fragte ihn hinterher, ob er auch in fränkischer Sprache erzählen könne, was er da gelesen hatte. Da stockte der Junge, und Bonifatius erklärte ihm den Inhalt und Sinn der vorgelesenen Schriftstellen, - zur Bewunderung aller Anwesenden. Der Junge, Gregor, war so begeistert, dass er bei seiner Großmutter, der Äbtissin Adela, durchsetzte, mit Bonifatius reisen zu dürfen. So wurde Gregor ein wichtiger Helfer für den Heiligen, der später als Abt das Bistum Utrecht verwaltete und schließlich selbst von Gott verherrlicht wurde.

Die  Beredsamkeit und persönliche Überzeugungskraft des Bonifatius erlaubten es ihm, die ganz oder halb heidnischen örtlichen Herren und überregionalen Fürsten zu gewinnen. Nicht nur konnte er die Heiden von der höheren Wahrheit des Christentums überzeugen. Auch die örtlichen Herrscher in den bereits christianisierten Ländern (Thüringen und Bayern) gewann er für die - ja stets mit schmerzhaften Entscheidungen verbundene - Reform ihrer Kirchen.

Diese  geistliche Ausstrahlung des Heiligen hat - neben seinem großartigen Organisationstalent -überdies dazu geführt, dass seine Mission durch Heerscharen von Mit-Missionaren aus England unterstützt wurde. Sein jahrelang aufrecht erhaltener Briefkontakt  hatte große Hilfsbereitschaft in der Heimat geweckt. In den englischen Klöstern wurden all jene zahlreichen Handschriften angefertigt, mit denen Bonifatius seine Missionszentralen und Kirchen ausstattete. Und dann kamen die besten Mönche auch selbst auf seinen Ruf. Sie unterstellten sich bereitwillig seiner geistlichen und bischöflichen Leitung. Viele von ihnen wurden ihrerseits später heilig gesprochene Bischöfe und Äbte.

Auch bei seiner dritten Romreise zu Papst Gregor III schlossen sich ihm in Italien neben britannischen Pilgern große Mengen von Sachsen, Franken und Bayern an, die bereit waren, mit ihm zusammenzuarbeiten.

Die Früchte seiner Arbeit sind eindrucksvoll: Obwohl er im Frankenreich nur einer Provinzkirche vorstand, übertraf diese in geistlicher Hinsicht die fränkische Kirche weit. Allein Bayern entstanden durch ihn und seine Schüler fast 100 Klöster.

Es ist bemerkenswert, dass der Mann, der als Kirchenführer äußerst undiplomatisch und oftmals harsch Missstände bloßstellte und mit Kritik nicht sparte, wenn es um die Treue zum Evangelium ging, doch zugleich im persönlichen Umgang mit seinen Brüdern im Stande war, eine große Menge von Mitstreitern zu gewinnen. Seine Fähigkeit zur persönlichen Nähe und Freundschaft zeigte sich besonders in der Beziehung zu seiner Nichte Lioba. Bonifatius hatte, anders als die Missionare vor ihm, begriffen, dass eine dauerhafte Christianisierung nur mit Hilfe der Ehefrauen, Mütter, und Töchter gelingen kann. Darum forderte und förderte er auch die Ankunft besonders qualifizierter englischer Nonnen. Zu ihnen gehörten auch Verwandte, wie Lioba. In ihr fand er eine geistliche Tochter, die im Verlauf ihrer Tätigkeit immer mehr zur geistlichen Schwester wurde. Er fühlte sich ihr so nahe, dass er sie in seinem letzten Willen sogar neben sich in seinem eigenen Sarg bestattet haben wollte, damit sie gemeinsam auf die Auferstehung warten können.

Für uns:

Bonifatius hat sein Leben lang nicht aufgehört, geistliche Freundschaften zu pflegen, immer im Gedanken daran, wie andere sie ermutigen und ermächtigen könnte, selbst zu Lehrern und Ermutigern für andere zu werden.

Fassen wir zusammen: Seine Liebe zur Askese, seine Unerschrockenheit in der Verteidigung der Wahrheit Christi, und dieser Sinn für die Gemeinschaft der orthodoxen Mitstreiter sind, so scheint mir, Züge, die nachzuahmen sich lohnt.

 

C  Reliquien

Gleich nebenan in Frankfurt gibt es in Kalbach eine Quelle, die nach Bonifatius benannt wurde, - wie es heißt als Erinnerung an die Station, die hier bei der Übertragung seiner Reliquien gemacht wurde. Diese Quelle soll entsprungen sein, wo sein Haupt den Boden Berührte. (Sie wurde inzwischen neu gefasst, Haltestelle U2, Riedwiese). Historiker bezweifeln das Quellwunder und meinen, der Leichenzug habe an dieser Stelle wegen der schon vorhandenen Quelle haltgemacht. Dem sei nun wie ihm wolle. Immerhin wurde gleich nach dem Weiterzug der Reliquien an dieser Quelle ein Holzkirchlein erbaut, was zeigt, wie Bonifatius von seinen Zeitgenossen als Heiliger verehrt wurde. Die Besitzerin des Ackers, eine Walpraht von Nitaha, schenkte diesen dem Kloster Fulda, das um 1000 das Holzkirchlein durch eine steinerne Heiligkreuzkirche ersetzte (ad crucem, die Krutzenkirche). Ein geistlicher Konvent bildete sich im „Kreuzerfeld", der die ganze Umgebung bis zur Reformationszeit betreute. Wie immer es also mit dem Wunder der Quelle stehen mag, - das Wunder einer jahrhundertelangen geistlichen Blüte kann man Bonifatius sicher zurechnen.

Kleinere Reliquien des Heiligen kann man in Mainz verehren, und zwar im Dom, und auch im Domschatz und Dommuseum.

Dasselbe gilt eigentlich für alle Bonifatiuskirchen der Umgebung, denn seine Reliquien sind vollständig vorhanden. Das ist ungewöhnlich, denn die meisten Reliquien hiesiger Heiliger wurden durch die protestantische Reformation oder die napoleonischen Truppen zerstört. Jede dem Heligen Bonifatius geweihte Kirche könnte damit ein Ort sein, an dem er gegenwärtig ist. Leider gilt dies aber nur, wenn die Priester und Gemeinden (wie in St. Pius in Fulda-Edelzell geschehen) ihren Sinn für Reliquien bewahrt haben und sich aus dem Vorrat in Fulda versorgen lassen.

Seine Gegenwart ist aber sicherlich am deutlichsten in Fulda, wo er seinem eigenen Wunsch gemäß im größten der von ihm gegründeten Klöster beigesetzt wurde.

 

Lioba  (700/10  + 782   28.September)

In eine englische Adelsfamilie geboren wurde sie auf den Namen Truthgeba getauft. Aber schon früh nannte man sie „Lioba", die geliebte.

Erziehung und hervorragende Ausbildung genoss sie im Kloster Winburn in Dorsetshire ganz am südlichen Rande Englands, - ein Kloster das kurz vorher von der königlichen Heiligen Kuthburga gegründet worden war.

Später lebte Lioba als Nonne in Klöstern in Kent und Wessex. Hier arbeiteten die Äbtissinnen eng mit Liobas Verwandten, dem Heiligen Bonifatius zusammen.

732/5/8 folgte sie dem Ruf ihres Onkels Bonifatius nach Germanien, um im mainfränkischen Gebiet Nonnenklöster zu gründen. Sie wurde sogleich als Äbtissin in Bischofsheim eingesetzt und gründete auch die Klöster Kitzingen  und Ochsenfurt, sowie viele andere. Leider sind alle diese Klöster inzwischen verschwunden.

 

A   Ihre Heiligkeit

Anders als beim Heiligen Bonifatius ist Liobas Heiligkeit niemals von kirchlichen Schriftstellern angezweifelt worden. Die vielen von ihr - anders als im Falle Bonifatius - schon bei Lebzeiten gewirkten Wunder sprachen eine überzeugende Sprache.

Die besondere Art ihrer Heiligkeit erschließt sich vielleicht am besten durch eine Vision, die sie als Novizin erlebte.

Als junge Nonne sah Lioba einmal nachts im Traum einen Purpurfaden aus ihrem Mund hervorgehen. Sie wollte ihn herausziehen, aber er wurde immer länger, als wenn er aus ihren Eingeweiden hervorkäme. Sie wickelte ihn zu einem runden Knäuel. Aufgewacht, bat sie eine Mitschwester, über diesen Traum eine alte Nonne zu befragen, die prophetische Erleuchtung erlangt hatte. Die alte Nonne erkannte sogleich, dass Lioba die Träumerin war und deutete den Purpurfaden, „der durch ihren Mund aus ihrem Innern hervorkam" als „die Lehre der Weisheit, die im Dienst des Wortes aus ihrem Herzen entspringt". Der aufgewickelte Knäuel in ihrer Hand bedeute in seiner Rundheit und leichten Beweglichkeit, „das Geheimnis des göttlichen Wortes, das durch der Predigenden Rat und Tat geformt, bald im tätigen Leben sich auf der Erde bewegt, bald durch fromme Beschauung zur Höhe strebt, bald indem es für den Nächsten duldet, sich erniedrigt, bald durch die Liebe zu Gott sich erhöht". Und die Nonne deutete weiter, Lioba werde durch ihre Lehren in Wort und Beispiel bei fremden Völkern großen Nutzen stiften.

Diese Vision zeigt uns Lioba als einen Menschen, der im Dienst Christi, des Wortes, und auch als Lehrerin durch das Wort ihrer Lehre, die Weisheit des Herzens vermittelt hat.

In den Worten der Kirchenväter ist das die Weisheit des Heiligen Geistes, der in ihrem tiefen Herzen wohnte.

Die Vision betont zum einen die Einheit von Theorie und Praxis, vom Weg Marthas und Marias, oder Leas und Rahels. Zum anderen macht sie ein besonders umfassendes Verständnis von „Lehre" oder, wie wir sagen würden, geistlicher Vaterschaft, deutlich: ein Lehrer des göttlichen Wortes macht die Weisheit Christi, des Wortes Gottes, durch sein eigenes Leben auf der Erde lebendig.

 

B   Die Bedeutung der heiligen Lioba für orthodoxe Christen

Wenn wir nun wieder nach dem Vorbild Liobas auch bei ihr nach Wesenszügen und Tugenden suchen, die uns selbst auf unserem Weg weiterhelfen können, so stechen drei ins Auge: Ihre mit Maßhalten verbundene Milde, ihre Geduld in Schwierigkeiten, und die christliche Qualität ihrer Liebenswürdigkeit

 

1. Milde und Maß

Lioba entwickelte für ihre Klöster eine eigene Version der Benediktinerinnenregel. Sie  selbst lebte sehr genügsam und ließ sich auch während ihres nächtlichen Schlafes von den jüngeren Schwestern die Bibel vorlesen. Dabei war ihr das Geschenk eines leichten Schlafs und eines wachen Herzens verliehen worden, denn jeden Lesefehler korrigierte sie sofort.

Als Äbtissin jedoch waren ihre Entscheidungen von Takt und Sinn für praktische Durchführbarkeit geprägt. Bei den Mitschwestern sorgte sie für großzügigere Essensregeln.

Auch erlegte sie ihnen auf, nach der Hauptmahlzeit etwas schlafen, damit ihre Aufnahmefähigkeit für die geistliche Lektüre nicht abgestumpft werde.

Für sich selbst, aber in höherem Maße für andere, hatte sie ein behutsames Auge auf die Grenzen der menschlichen Kraft. Auf diese Weise zog sie viele geistliche Töchter heran, von denen einige als Äbtissinnen oder geistliche Mütter selbst heilig wurden. Es wurde überhaupt das Besondere an den von ihr gegründeten Klöstern, dass sie - hierin ihrem Vater Bonifatius folgend - all ihre Schülerinnen zu künftigen Lehrerinnen heranzog.

Mit ihrem Sinn für die Realitäten, und das heißt, ihrer verständnisvollen Großzügigkeit für andere und ihrem guten Urteil auch bei der Einrichtung ihrer eigenen Askese, scheint die Nonne Lioba mir auch für weltliche Christen, und dies besonders während der Fastenzeit, ein hilfreiches Vorbild.

Wir sollen ja einerseits immer mit zweierlei Maß messen, d.h. von anderen wenig, von uns selbst aber viel verlangen. Dabei aber erfordert es die richtige Demut, auch uns selbst gegenüber mit unserer Schwäche zu rechnen und nicht durch Selbstüberforderung in Versuchung zu geraten.

 

2. Geduld in Schwierigkeiten

Zahlreiche Wunder der Heiligen machten ihr Kloster schon zu ihren Lebzeiten in Deutschland berühmt. Viele edle und mächtige Männer vertrauten ihr ihre Töchter an, und viele Witwen oder andere Frauen verließen die Welt und wurden Nonnen. Trotzdem standen dem Kloster Bischofsheim - trotz der vielen Geschenke, aber vielleicht wegen der dort geübten großzügigen Gastlichkeit - nur geringe Mittel für den Lebensunterhalt zur Verfügung. Im Klartext: das Kloster war mangelhaft ausgestattet. Wie aus einem Trostbrief des Hl. Lullus, wahrscheinlich im Auftrag des Hl. Bonifacius an sie geschrieben, hervorgeht, wurde sie nur ermahnt, nach Christi Weisung diese Armut geduldig zu ertragen.

Lioba hat trotz solcher Sorgen und Schwierigkeiten ihren Mut, ihre Fröhlichkeit, ihre Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit nie verloren.

 

3. Ihre Liebenswürdigkeit

Bereits im englischen Heimatkloster, aber auch später in Franken, liebten die Mitschwestern Lioba. Neben ihrem gewinnenden Naturell hatte daran auch die Demut großen Anteil, mit der sie sich trotz ihrer anerkannten Heiligkeit und später als Äbtissin den anderen gleichstellte.

Ebenso liebten sie die vielen Notleidenden und Armen, denen sie ihre Mildtätigkeit und Gastfreundschaft zukommen ließ. Dabei hat sie nicht nur selbst für diese Pilger und Hungernden gekocht, sondern auch nach Jesu Vorbild jedem mit eigenen Händen die Füße gewaschen. Dieselbe Liebe weckte sie aber auch bei Fürsten (einschließlich der Frankenherrscher) und Bischöfen. Sie alle luden sie ein, beschenkten sie und suchten ihren Rat. Eine besonders enge geistliche Mutterschaft verband Lioba mit der zweiten Gemahlin des damaligen Frankenkönigs, und späteren Kaisers Karl.

Diese Frau muss wohl schon mit 13 Jahren verheiratet worden sein, denn bis zu ihrem Tod mit 25 Jahren hat sie 9 Kinder geboren. Sie gilt als bedeutende Förderin von Klöstern, und es nimmt nicht wunder, dass dieses halbe Kind (später selbst als Selige verehrt) sich in großer Verehrung Lioba anschloss und sie am liebsten immer um sich gehabt hätte. Lioba andererseits hasste das Leben am Hof.

Als nun Liobas Kräfte im hohen Alter nachließen, erhielt sie die Erlaubnis, sich aus Bischofsheim in ein kleines Kloster in Schornsheim bei Mainz zurückzuziehen, wo Karl der Große ihr einen Alterssitz geschenkt hatte. Anlässlich dieses Umzugs und „Ruhestands" flehte die Königin sie sogleich an, von dort aus (wo sie ja viel näher sei) zu ihr zu kommen, um sie noch einmal zu sehen. Auch Hildegard hatte damals nur noch ein Jahr zu leben, und wer weiß, in welchen Kindsnöten sie sich gerade wieder befand. Obwohl diese Reise Lioba sehr beschwerlich fiel (sie selbst starb nur kurze Zeit nach der Rückkehr), nahm sie die Anstrengung auf sich. Gleich bei der Ankunft in Aachen wurde ihr jedoch klar, dass Hildegard gar kein besonderes geistliches Anliegen hatte sondern nur den Trost ihrer Gegenwart suchte. Da wies sie diese streng, wenn auch mit großer Liebe zurecht und reiste sofort wieder ab. Man sieht hier, wie Liobas sich selbstverleugnende Opferbereitschaft doch zugleich immer dem Rahmen ihres Mönchtums verpflichtet blieb. Ihre Liebenswürdigkeit war frei von Sentimentalität.

Ich vermute, dass dieser harte, asketische Kern in ihrem Gehorsam gegen Christus es war, der es Bonifatius überhaupt ermöglichte, diese unter Mönchen nicht gewöhnliche Herzens-Freundschaft zu einer Nonne zu pflegen.

Mir scheint, dass für uns orthodoxe Laien, und besonders die Frauen und Mütter unter ihnen, obwohl wir, anders als Lioba in der Welt leben, diese Qualität ihrer Liebe bedeutsam ist. Der harte Kern des Christusgehorsams in Liobas Liebenswürdigkeit erinnert uns daran, dass wir bei all unserem Lieben und Geliebt Werden nicht unsere Gefühle, sondern Christus an die erste Stelle setzen, - was, zumindest für mein Empfinden, eine sehr schwierige Lehre ist.

 

C   Reliquien

Die wichtigsten Reliquien der Heiligen liegen auf dem Petersberg bei Fulda. Um in der wunderbar ausgemalten Krypta Zugang zu ihrem Haupt-Reliquar zu erhalten, muss man sich vorher mit den Liobaschwestern in Verbindung setzen.

Was ich in meiner Tabelle nicht erwähnte: über dem Steinsarkophag (der leer sein soll) befindet sich eine verglaste Nische mit Resten ihres Holzsargs. Daneben ein Behälter, der ebenfalls eine Reliquie der Heiligen, wie auch von Bonifatius und Sturmius, enthält.

Zwei weitere Reliquienbehälter finden sich in Fulda im Dommuseum (wo auch Hildegard vertreten ist).

Normalerweise wird Lioba nicht nur „von Bischofsheim" genannt, sondern von Tauberbischofsheim.

Dort gibt es in zwei Kirchen Reliquien der Heiligen St. Martin und St. Lioba. Weitere Reliquien  finden sich in einigen entfernteren Kirchen, zum Beispiel in der St. Liobakirche in Nürnberg.

Die Sache mit Tauberbischofsheim allerdings beruht offenbar (und hier folge ich einer Abhandlung über die Geschichte der Stadt Bischofsheim von Friedrich Stein, im Internet googlebar) auf einem Missverständnis eines Kopisten der Vita der Heiligen. Es wird vermutet, dass ihr Hauptkloster in Bischofsheim in der Rhön lag, und zwar unter dem jetzigen Rentamt gestanden haben müsste. Hierzu passt, neben vielen anderen Umständen, dass in Tauberbischofsheim trotz aller Grabungen nie Spuren ihres Klosters gefunden wurden, und dass die dortige Liobaverehrung erst im 17. Jh. losging, als die Vita mit dem Zusatz „Tauber" gedruckt vorlag. Erst dann haben die Franziskaner am Ort sich Lioba-Reliquien verschafft und die Verehrung gefördert. Leider hat Bischofsheim keine Reliquien der Heiligen, dafür allerdings eine russisch orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats, mit vielen herrlichen Ikonen, die einen Besuch lohnt. Vater Fjodor freut sich sehr.

 

Wigbert der Ältere (670-746    13. August)

Der Hl. Wigbertus wurde wie Bonifatius in Wessex geboren und begann sein geistliches Leben in der Einsamkeit des Klosters Glastonbury.

Wegen des Rufs seiner Heiligkeit berief ihn der etwas jüngere Bonifatius (720) nach Hessen. Im Anschluss an die Fällung der Donar-Eiche (vermutlich auf dem heutigen Domplatz von Fritzlar), wo die erste Holzkirche entstand, setzte er Wigbert als Missionar in die dort erbaute Missionsstation, der auch eine Klosterschule angeschlossen wurde. 730 berief er ihn nach Ohrdruf in Thüringen ins dortige Missionskloster als Abt. Auch hier gründete Wigbert eine Schule für Missionare, in der ebenfalls Latein und Bibelkunde unterrichtet wurde. 732 wurde er zudem als Abt in das an Stelle der Missionsstation neu gegründete Benediktinerkloster Fritzlar berufen.

Er scheint aber weiterhin hauptsächlich in Ohrdruf tätig gewesen zu sein. Aus diesen Schulen gingen die bedeutenden Missionare Lullus, Mengingaud und Sturmius hervor. So war Wigberts Einfluss auf die Christianisierung Deutschlands bedeutend. Zugleich trugen seine Klöster durch Weinbau, Landwirtschaft und Handwerk zur wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Umgebung bei.

Gegen Ende seines Lebens (740), und von Krankheiten geplagt, erlangte er die Erlaubnis, sich aus Ohrdruf wieder in die Ruhe von Fritzlar zurückziehen zu dürfen.

A  Seine Heiligkeit

Wir wissen nichts Sicheres über Wundertaten des Heiligen zu Lebzeiten. Nur das Traubenwunder ist gut belegt: Als einmal kein Abendmahlswein vorhanden war, pflückte er eine frische Traube und drückte mit der Hand den Saft über dem Kelch aus, in dem sich sogleich gegorener Wein befand.

Andererseits künden besonders um Ohrdruf noch heute viele Wigbertikirchen von seinem Ansehen in der Bevölkerung.

Dagegen war sein Entschlafen von Wundererscheinungen begleitet: Als sein Leichnam aufgebahrt wurde, sahen die anwesenden Brüder einen wunderschönen kleinen Vogel, der weder vorher noch nachher jemals gesehen wurde, dreimal zum Leib des Heiligen hinfliegen. Dies wurde als Zeichen dafür gesehen, dass der Entschlafene im Heiligen Geist gelebt hatte. Wegen der vielen weiteren an seinem Grabe geschehenen Wunder, wurde er sogleich vom Volk als Schutzpatron von Fritzlar angerufen.

 

B   Die Bedeutung des Heiligen Wigbert für orthodoxe Christen

Ich möchte mich auf zwei Wesenszüge des Heiligen beschränken: seine Art, durch sein Vorbild zu lehren, und seine geistliche Unterscheidungsgabe.

 

1. Das Lehren durch Beispiel

Stets wurde Wigbert an besonders exponierter Stelle eingesetzt. Fritzlar, zwar durch eine fränkische Garnison auf dem Büraberg geschützt, befand sich nach der Fällung der Donar-Eiche vermutlich trotzdem noch in ziemlichem Aufruhr. In Ohrdruf galt es, in eine gänzlich heidnische Umgebung hineinzuwirken. Die als Kloster um-gegründete Missionsstation Fritzlar verlangte, wie Wigberts Biograph formuliert, „krumme Wege zu begradigen" und „den schmalen Pfad zu wählen". Hieraus schließt die Forschung, dass diese Mönchsstation wohl vorher von Bonifatius selbst - mehr recht als schlecht - geleitet worden war, soweit ihm das seine Reisen erlaubten, so dass Wigbert eine ziemlich verwahrloste Truppe vorfand.

Sowohl den Nichtchristen, als auch den vom schmalen Pfad abgekommenen eigenen Mitarbeitern und Schülern hat nun Wigbert durch eigene strenge Lebensführung und intensive geistliche Studien ein Beispiel gegeben, das die anderen zur Nachfolge einlud.

Bis ins höchste Alter unterzog er sich mit jugendlicher Frische nicht bloß dem vorgeschriebenen Fasten, sondern nahm auch noch zusätzliche freiwillige Übungen zur Abtötung der Leidenschaften auf sich. Selbst die Krankheiten, unter denen er jahrelang bis zu seinem Lebensende litt, konnten ihn davon nicht abbringen. Zugleich hielt er unter diesen Bürden stets an der geistlichen Lektüre fest und kümmerte sich liebevoll um seine Mönche.

Wigbert zeigt uns somit das Vorbild eines Menschen, der Seraphim von Sarows Wort wahrmacht: Ändere dich selbst, und tausende werden sich um dich herum ändern.

 

2. Väterliche Fürsorge

Wigberts Seelsorge, sowohl bei den Mitbrüdern und Schülern, als auch in den zahlreichen Dörfern und Höfen der Umgebung von Fritzlar und Ohrdruf, war geprägt von geistlicher Unterscheidungsgabe. Dies zeigte sich in verschiedenen Hinsichten. Zum Beispiel: Als die feindlich Sachsen wieder einmal große Verwüstungen angerichtet hatten, linderte er zuerst das Leiden des Volks mit Gottvertrauen und Standhaftigkeit auch praktisch. Erst nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, nahm er die klösterlichen Arbeiten wieder auf.

Bei seinen Beichtkindern drang sein Blick in die Tiefen ihrer Seele. Er durchschaute auch ihre nicht offenbaren Leidenschaften. So konnte er Ihnen als Arzt und Helfer zur Seite stehen.

Eine solche, wahrhaft geistliche Unterscheidungsgabe können wir nicht einfach für uns als vorbildlich ansehen. Sie ist ein Geschenk des Heiligen Geistes an jene, die ihrer würdig sind.

Aber das Vorbild des Heiligen Wigbert erinnert uns daran, dass wir alle berufen sind, daran zu arbeiten, uns für dieses Geschenk würdig zu machen.

 

C   Reliquien

Die Reliquien des Heiligen Wigbert wurden zuerst in seiner Klosterkirche, dem heutigen Dom zu Fritzlar erhoben. Ziemlich früh wurden, und auch dies beweist seine Verehrung zu Lebzeiten, seine Reliquien weiträumig verteilt, so nach St. Maximin in Trier, Quedlinburg, St. Emmeram usw. Aber ich habe darüber noch keine sicheren Daten.  Später wurde der Haupt-Teil von ihnen in das Kloster Hersfeld gebracht, wo sie beim Brand der Stiftskirche zerstört wurden.

Einige Reliquien waren allerdings in Fritzlar geblieben. Wir können sie auch in der Rochuskapelle in Bingen verehren, d.h. in der Kirche des Oblatenklosters auf dem Rochusberg.

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