Predigt zur Weihnacht 1970
Gott ist Mensch geworden, damit nicht ein einziger Mensch, der die Achtung vor sich selbst verloren hat, meinen könnte, dass auch Gott aufgehört habe, ihn zu achten, dass Gott nichts mehr in ihm fände, was Seiner Liebe würdig sei. Christus ist Mensch geworden, damit alle, die an sich jeglichen Glauben verloren haben,  wissen mögen, dass Gott an uns glaubt, dass Er auch dann an uns glaubt, wenn wir uns verstrickt haben in unseren  Lastern, in unserer Niedrigkeit. Gott glaubt an uns und steht als Hüter unsere Menschenwürde da. – aus einer Predigt zur Weihnacht von Metropolit Antonij von Surosh.
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Predigt zur Weihnacht 1970

Die Geburt Christi, die wir heute mit solcher Leichtigkeit im Herzen, mit solcher Dankbarkeit und Freude feiern, ist es wert nicht nur von uns Menschen, sondern auch von der gesamten Schöpfung insgesamt vernommen zu werden, denn die Geburt Christi, die Menschwerdung des Gottessohnes eröffnete uns etwas noch nie da gewesenes,  etwas unfassbar Neues sowohl über Gott als auch über den Menschen und über die Schöpfung im Ganzen.

Gott ist uns in Christus in einer noch nie da gewesenen und unfasslichen Weise erschienen. Die heidnischen Völker konnten sich Gott immer nur als einen Großen, als Einen vom Himmel vorstellen, Der quasi alles Große, Majestätische und Göttliche, wovon Menschen hier auf der Erde nur so träumen, in Sich vereinigt. Und nur Gott konnte sich so dem Menschen offenbaren, wie Er es in der Menschwerdung Christi getan hat: Gott wurde einer von uns. Und eben nicht in Ruhm und Ehre, sondern in Schwachheit, Hilflosigkeit und Heimatlosigkeit, verletzlich und scheinbar besiegt, verachtet von all denen, die nur an  Stärke und irdische Größe glauben. In der ersten Nacht, als Gott Mensch wurde, als der Lebende Gott selbst im Fleisch unter uns auf der Erde zu leben begann, war Er selbst ein Heimatloser, ein Mensch ohne Obdach. Niemand nahm Seine Mutter ins Haus auf. Alle hielten Ihn für einen Fremden. Alle schickten Ihn fort auf den weiten, endlosen Weg, der sich vor jedem Heimatlosen, vor jedem, der kein Obdach hat, auftut, ein Weg ohne ein einziges freundliches Wort. Und so sind sie immer wieder fortgezogen - und in dieser ersten Nacht ist Christus allen denen gleich geworden, die über die Jahrhunderte hindurch durchs Leben irren, körperlich und geistlich verstoßen, verachtet, unerwünscht, aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Von solchen Menschen ist die Geschichte der Menschheit voll. Und wie viele solcher Menschen leben bis heute - und das ist erschreckend - in unseren großen Städten und in den Weiten der Erde, die keinen Ort haben, den sie aufsuchen können, auf die niemand wartet, wegen derer niemand einen Seufzer ausstößt, denen niemand bereit ist, seine Tür zu öffnen, weil sie fremd sind oder aber weil es unangenehm ist, am Schicksal derer Anteil zu nehmen, die ausgestoßen sind. Nicht nur weil sie von Unglück gepeinigt sind, sondern auch weil sie durch menschliche Verachtung zu Fremden geworden sind, weil Menschen, andere Menschen, sie aus ihren Herzen, aus ihren Lebensbahnen verstoßen haben. Einsamkeit - furchtbare, quälende, menschentötende Einsamkeit, die das Herz von so vielen Menschen zerfrisst, war das Los der Heiligen Jungfrau und Gottesgebärerin zusammen mit ihrem Angetrauten Joseph und des gerade neu geborenen Christus. Er war ein Fremder, ein Unerwünschter, Ausgestoßener und Verworfener. So beginnt Sein Weg und auf diesem Weg ist er allen gleich geworden.  Und so lebt auch heute in unserer Zeit weiter: als Fremder unter uns Menschen, die wir jenen Brüder sein sollten, die aus Schlechtigkeit, Feigheit und Hass verachtet und zertreten sind. Sie sind verletzlich in ihrer Zerbrechlichkeit und wegen ihrer Schutzlosigkeit. Es ist an uns Christen in jenen das Abbild des Gottes zu erkennen, Den wir heute in voller Ehrfurcht verherrlichen und jene so bei uns aufzunehmen, wie wir jetzt Christus willkommen heißen  würden, wenn Er heute vor uns als Unglücklicher, Verletzbarer, Hilfloser, Verachteter, Gehasster und Vertriebener treten würde.

Schaut, wie Gott vor uns erschienen ist, um Einer von uns zu sein, damit keiner hier auf Erden sich seines Gottes schämen müsste, weil Er angeblich so groß und so fern und völlig unzugänglich sei. Er wurde Einer von uns in unserer Erniedrigung, in unserem Desaster. Er hat sich nicht für uns geschämt und wurde Einer wie wir alle. Nicht nur in unserer materiellen, irdischen und physischen Tragik, nicht nur in unserer seelischen Verlassenheit, von menschlicher Liebe vergessen. Er wurde ganz einer von uns aus Liebe, aus Verständnis, aus Verzeihen und Mitgefühl. Er empfindet auch mit denen, die, weil sie Sünder sind, von anderen verstoßen wurden. Er ist nicht gekommen um sich Gerechten, sondern um sich Sündern zuzuwenden und nach ihnen auf die Suche zu gehen. Er ist gekommen, damit nicht ein einziger Mensch, der die Achtung vor sich selbst verloren hat, meint, dass auch Gott aufgehört habe, ihn zu achten, dass Gott nichts mehr in ihm fände, was Seiner Liebe würdig sei. Christus ist Mensch geworden, damit wir alle - alle ohne Ausnahme, auch die mit eingeschlossen, die an sich jeglichen Glauben verloren haben -  wissen mögen, dass Gott an uns glaubt, dass Er auch an uns glaubt, wenn wir uns vergangen haben, dass Er ebenso an uns glaubt, wenn wir einander und uns selbst schon nicht mehr glauben, dass Er so fest an uns glaubt, dass Er sich nicht scheut, einer von uns zu werden. Gott glaubt an uns und steht als Wächter unsere Menschenwürde da. Gott bewahrt unsere Ehre und deshalb, damit wir es auch glauben und mit eigenen Augen sehen können, wird unser Gott ein verlassener und hilfloser Mensch. Nur die, die allein an Macht und Stärke glauben und an nichts anderes, die, die von ihrer eigene Rechtschaffenheit so sehr  überzeugt sind, finden so lange zu Ihm keinen Zugang bis sie es endlich einsehen, Reue empfinden und verstehen, dass Demut, Liebe, Mitgefühl und Mildtätigkeit das Maß des Lebens sind.

In Christus ist uns nicht nur Gott in Seiner Liebe, mit Seinem Glauben an uns, als Hüter unserer Menschenwürde, als Hirt unserer Wahrhaftigkeit erschienen; Er hat uns ebenfalls die Großartigkeit des Menschseins aufgezeigt. Wenn Gott dem Wesen nach Mensch werden konnte, wie können wir dann nicht verstehen, wie bedeutsam es ist, Mensch zu sein? Warum begreifen wir es nicht? Ein Mensch ist jemand so bedeutsames, dass Gott Mensch wurde und den Menschen dabei gleichzeitig Mensch sein und bleiben lässt. Die gesamte Schöpfung,  wie sie Gott aus dem Nichts ins Sein berufen hat, ist so großartig, dass der Mensch in sich Gott aufnehmen kann. Dieses  Geschaffene ist unser Fleisch, unser Blut, unsere Knochen. Unser gesamter Körper, wir sind befähigt Gott zu beherbergen, Gottesträger zu sein, sich mit Gott zu verbinden und dabei wir selbst zu sein und zu bleiben. Wir sind berufen in einer Herrlichkeit und Größe zu erstrahlen, die wir nicht sehen, die jedoch Gott sieht und um derer willen Er uns und alles geschaffen hat.

Schauen wir auf das Bild der Fleischwerdung: Christus hat uns die Demut und die Liebe Gottes aufgezeigt. Ebenso den Glauben Gottes an die gesamte Schöpfung, an uns Sünder und Gefallene. Und gleichzeitig hat Er uns aufgezeigt, wie großartig und tiefgründig wir und unsere Existenz sein können, welch eine Tiefe der gesamten Schöpfung des Herrn innewohnt. Ja, mit einem solchen Glauben können wir leben, können wir uns aufmachen Mensch zu werden im wahrsten Sinne des Menschwerdung Christi und die Welt, in der wir leben, nicht nur als totes Material zu betrachten, sondern als etwas, was am Ende der Zeit sichtbares Kleid Gottes werden wird, wenn Gott alles in allem sein wird.

Was für eine Pracht, was für eine Freude, was für eine Hoffnung. Lasst uns mit Ehrfurcht, Liebe und Ergebenheit die Menschwerdung Christi preisen. Sie bedeutet für uns das ewige Leben bereits hier auf der Erde. Sie ist die Würdigung alles Geschaffenen in der Ewigkeit der Himmel.

Amen.

http://www.metropolit-anthony.orc.ru/inname/in_23.htm

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