Wort zum Beginn der Fastenzeit vor Weihnachten
„Nun nähern wir uns den Tagen jener geheimnisvollen  Sternennacht, in der Gott Mensch wird und der Herr Seinen Weg ans Kreuz antritt: Seinen Weg zum Tod, in die Hölle und zur Auferstehung, durch die Er auch uns in das Ewige Leben führt, welches unsere Vorväter einst verloren hatten. Deshalb sollten wir voller Ehrfurcht diesem Fest entgegengehen. Wir sollten uns vorbereiten, dass auch in unserem Herzen die Trennwand fallen möge, dass sich auch dort der Abgrund schließt, der uns von Gott, von der Liebe, von den Menschen, ja vom Leben fernhält“. – aus einer Predigt zum Beginn der Fastenzeit vor dem Weihnachtsfest von Metropolit Antonij von Sourozh
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Wir beginnen heute die Fastenzeit vor Weihnachten. Dies ist eine Periode, in der wir uns Schritt für Schritt zu diesem wunderbaren Tag erheben, an dem wir Gott schauen werden, der um unseres Heiles wegen Mensch geworden ist. Auch in der heutigen Apostellesung, zum Beginn dieser Fastenzeit, macht uns der Apostel Paulus klar, dass Christus die Mauer, die Gott und den Menschen trennte, aufgebrochen hat und den Abgrund, der zwischen Gott und Seiner Schöpfung lag, mit Sich ausgefüllt hat. Viele Jahrhunderte vor der Geburt Christi hat Hiob in seinen unendlichen Leiden und Kämpfen ausgerufen: Woist der Mensch, der zwischen mich und meinen Richter tritt, der Seine Hand sowohl auf seine als auch auf meine Schulter legt und so quasi beide zusammenhält und das, was menschlicher Irrtum zerbrochen hat, wieder vereint: Gott und den Menschen. Seine Intuition, sein wunderbares menschliches Herz, welche die Gewissheit darum, Gott zum Vater zu haben, nie verloren hatte, erwartete Den, Der am Ende das Unvereinbare verbunden hat, der ihn mit seinem Richter, vor Dem er stand - Den er sich jedoch nicht, wie seine Freude als einen Despoten, der zu allem ein Recht hat, vorstellen konnte - wieder versöhnt.

Und dieser Mensch ist gekommen: der Herr Jesus Christus. Er hat Seine Arme ausgebreitet und Gott und den Menschen vereint. Wenn wir an diese ausgebreiteten Arme denken, die den Schöpfer und Seine Schöpfung miteinander verbinden, denken wir dann nicht sofort an Christus am Kreuz? Er ist gekommen und hat den feinen Grat betreten, wo Göttliche Wahrheit und menschliche Lüge aufeinander treffen, die Göttliche Liebe und die Ablehnung dieser Liebe von Seiten der Menschen. Er hat Sich dorthin gestellt, wo die gesamten Mächte des Bösen sich versammelt haben, um den Menschen zu zerstören. Völlig unversehrt und völlig vereint mit Gott trat Er vor die Menschen Seiner Zeit. Diese Menschen jedoch wollten nicht - weil sie es nicht konnten - ihren Gott bedingungs- und grenzenlos annehmen. Sie haben Ihn abgelehnt, und ebenso auch die, die von Ihm zeugten.

Für Ihn fand sich keine Statt in der Welt der Menschen. Nicht einmal zum Sterben gab es für Ihn dort einen Platz. Man hatte Ihn herausgeführt aus dem Lager der Menschen. Er wurde ausherhalb von Jerusalem gekreuzigt, wie jemand, den man aus dem Menschengeschlecht ausgestoßen hatte, weil Er bis zum Ende mit Gott sein wollte. Indem Er Mensch geworden war aus Liebe zu uns, um uns zu retten, hatte Er gleichzeitig auch alle Einschränkungen, die das menschliche Schicksal und die Menschheit ausmachen, auf Sich genommen. Er ist in Seinem letzten Kampf vor Seinem Tod allein geblieben vor Seinem Gott. Doch dieser  schwieg.

Und als Er am Kreuz starb, war Er allein, so wie jeder Mensch allein ist, der Gott verloren hat und an diesem Verlust zu Grunde geht. Ausgestoßen und allein gelassen hat Er zu Gott geschreien: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen? ... Von Gott verlassen, und geschmäht von den Menschen hat Er in Sich die ganze Tragödie der Menschheit vereinigt. So ist Er gestorben und in die Tiefen des Hades hinabgestiegen. Bereits auf der Erde hatte Er die Hölle des menschlichen Lebens erlebt: all die Lüge und Falschheit, all die Sünden, all den Schmutz und all die Gottlosigkeit und Unmenschlichkeit. Und nachdem Er gestorben war, weil Er mit uns eins sein wollte, geriet Er dorthin, wohin jede Seele gelangt, die Gott verloren hat: in die Tiefen der Finsternis und Verzweiflung, dorthin, wo es Gott nicht gibt.

Doch dort erst fand das große Wunder der Vereinigung seine Vollendung, wie es in einem Osterhymnus heisst. Der Hades hatte seine Tore weit aufgetan, um den Menschen gefangen zu nehmen, Der ihn auf der Erde besiegt hatte. Mit Schrecken jedoch musste der Hades feststellen, dass dieser Mensch Gott Selbst war, Der in den Hades hinabgestiegen war. Und so hat sich der Hades, in dem sich über Jahrtausende hindurch Menschen angesammelt hatten, die Gott verloren hatten, einfach aufgelöst. Es gibt seit dem keinen Ort mehr, wo Gott nicht ist. Hier hat dieses Wunder des Sieges, das Zertrümmern der Mauer zwischen Gott und Mensch seinen Anfang genommen, hier hat sich der Abgrund geschlossen. Alles ist nun umarmt von der Liebe Christi und von Seinem Mitsein mit uns. Er hat Sich mit uns so verbunden, dass Er auch das Grauen, Gott verloren zu haben, durchlebt hat. Heute gibt es dehalb kein Wesen, keinen Menschen, der ausserhalb des Mysteriums Christi steht. Es gibt keinen Gottlosen mehr auf der Erde, der auf furchtbarere Weise als Christus den Verlust Gottes erlebt, als Dieser ausrief: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?

Die Trennwand ist gefallen, der Abgrund geschlossen, der Weg steht offen. Nun nähern wir uns den Tagen jener geheimnisvollen  Sternennacht, in der Gott Mensch wird und der Herr Seinen Weg ans Kreuz antritt: Seinen Weg zum Tod, in die Hölle und zur Auferstehung, durch die Er auch uns in das Ewige Leben führt, welches unsere Vorväter einst verloren hatten.

Deshalb sollten wir voller Ehrfurcht diesem Fest entgegengehen. Wir sollten uns vorbereiten, dass auch in unserem Herzen die Trennwand fallen möge, dass sich auch dort der Abgrund schliesst, der uns von Gott, von der Liebe, von den Menschen, ja vom Leben fernhält. Dann werden wir voller Freude und Ehrfurcht den neugeborenen Christus in Empfang nehmen, Der sich nicht scheut schwach zu sein und uns zärtlich zu lieben und der uns erlaubt, alles, was wir wollen, mit Ihm zu machen, um uns zum Heil zu führen. Ehre sei Ihm für Seine Liebe, für seine Hingabe, für seine unendliche Geduld mit uns. Lasst uns auf Seine Liebe mit Liebe antworten und Ihn in Seiner Hoffnung auf uns, in Seinem Gauben an uns nicht enttäuschen.

Amen 

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