Zum Sonntag des Erlahmten (Joh. 5,1-15)
„Worin besteht meine Kraftlosigkeit? Was lähmt mich? Welcher Teil der Seele? Was hat mich so gelähmt werden lassen und meine Seele so erstarrt? Und lasst uns mit der Hilfe Christi und mit Hilfe der Menschen, die uns lieben, versuchen, uns von dieser Lähmung mit all unseren Kräfte zu befreien! Lasst uns uns fragen: Wer um mich herum braucht meine Hilfe, von der ich selber träume, ohne die auch ich nicht leben kann? ... Und ohne etwas zu erwarten, ohne zu erwarten, dass wir selbst zu neuem Leben erwachen, lasst uns versuchen, den anderen die Hilfe zu geben, die sie brauchen. Denn nur so beginnen wir, neu zu leben.“ – aus einer Predigt zum Sonntag des Erlahmten von Metropolit Antonij von Sourozh
Статья

27. April 1980 

Immer wieder, Jahr für Jahr, werden in der Kirche immer die gleichen Auszüge aus dem Evangelium verlesen. Wenn ein Jahr vergangen ist und eine gewisse Erzählung wieder an der Reihe ist, stellt sich mir immer wieder die selbe Frage: Was hast du im Verlaufe des gesamten Jahres getan, dass diese Perikope nicht nur einfach ein Wort geblieben ist. Ein Wort, welches an dich gerichtet war, welches du aber nicht gehört hast. Was hast du getan, damit dieses Wort nicht umsonst ausgesprochen worden ist?

Das Evangelium von heute erzählt uns von einem gelähmten Menschen, der viele Jahre hindurch keine Heilung für sich finden konnte, weil sich all die Jahre hindurch nicht ein einziger Mensch gefunden hat, um ihm zu helfen, in die heilenden Wasser des Schafteiches zu gelangen. Mir, wie wahrscheinlich auch jedem von euch, stellen sich dabei zwei Fragen. Die erste lautet: Wer bin ich?

Einerseits bin ich genauch auch dieser Mensch, dem jegliche Kraft fehlt und der es nicht vermag, sich selbst aus eigenen Kräften zu heilen. Wie viel Erstarrung in der Seele, wie viel Kraftlosigkeit im Willen, wie viel Gefühllosigkeit im Herzen, wie viel Trübnis in den Gedanken haben wir alle in uns und habe auch ich in mir. ... Und jedes Jahr, wenigstens heute, stellt sich mir die Frage: Kannst du geheilt werden? Und die Antwort lautet: Nein. Ich kann nicht. Ich habe keine Kraft, ich kann mit meiner Seele nicht zu Gott emporfliegen, ich kann meine Kräfte nicht sammeln. Ich kann es nicht. Ich bin in jeder Hinsicht wie gelähmt.

Und die zweite Frage. Sie hat schon einen doppelten Sinn: Gibt es denn niemanden an meiner Seite, der mir helfen könnte, dass ich zu neuem Leben erwachen kann? Vielleicht nicht indem mich jemand zu den heilenden Wasser hinabbringt, sondern indem mir jemand vielleicht irgendein Wort sagt, welches mich zu neuem Leben erweckt. Jemand, der mir vielleicht, wenn ich selbst nicht gehen kann, vorschlägt, meine Hand zu nehmen, um mich zu stützen und mir hilft, wenigstens ein paar Schritte zu tun? Gibt es den wirklich niemanden? Und wenn ich mich frage: Wie viele solcher Stimmen gibt es, wie viele solcher Freundschaften, wie viele solcher aufmunternden Worte - ja wie viele Worte durch den Heiland, durch Christus selbst - gibt es, die an mich persönlich und an jeden von uns gerichtet sind, die die Seele so anrühren können, dass sie aufwachen würde und neues Leben finden könnte?

Die andere Seite dieser zweiten Frage lautet: Wie viele Menschen gibt es um mich herum, die gelähmt sind. Sei es in ihrem Willen, in ihrem Herzen oder in der Seele und denen ich helfen könnte, wieder zum Leben zurück zu finden, aufzustehen und zu gehen. Ich jedoch bin zu faul dazu, ich habe keine Zeit. Ich vergesse es einfach. Und wenn ich sage „Ich“, dann rede ich aus eigenem Gewissen und von mir selbst, doch wahrscheinlich gilt dies auch für jeden von euch, der mir zuhört und der das Bekenntnis meiner eigenen Trägheit vernimmt. ...

Was sollen wir also tun? Sollen wir etwa wieder ein ganzes Jahr warten, dass die gleichen Worte des Evangeliums erneut ertönen, dass uns Christus noch einmal die gleichen Worte sagt und wir wieder bei uns denken: Wieder ist ein Jahr vergangen und immer wird in der Kirche das Gleiche gelesen. Ja, es wird immer wieder das Gleiche gelesen, so wie sich auch auch in unserem Leben vieles wiederholt. Wenn wir nur nach dem ersten Wort sofort zum Leben erwachen würden, dann müssten wir es nicht immer wieder neu hören. Dann würden wir dieses Wort in unserem Leben Wirklichkeit werden lassen, dann würden wir es wie eine Fackel durch unser gesamtes Leben tragen und mit ihm die Seelen um uns herum entzünden, würden die Menschen zum Leben  erwecken, damit auch sie die Gute und Lebensspendende Nachricht durch ihr Leben tügen. ...

Lasst uns deshalb im Verlaufe der kommenden Woche, die nun mit dieser Evangeliumslesung begonnen hat, uns die folgenden Fragen stellen: Worin besteht meine Kraftlosigkeit? Was lähmt mich? Welcher Teil der Seele? Was hat mich so gelähmt werden lassen und meine Seele so erstarrt? Und lasst uns mit der Hilfe Christi und mit Hilfe der Menschen, die uns lieben, versuchen, uns von dieser Lähmung mit all unseren Kräften zu befreien! Lasst uns uns fragen: Wer um mich herum braucht meine Hilfe, von der ich selber träume, ohne die auch ich nicht leben kann? ... Und ohne etwas zu erwarten, ohne zu erwarten, dass wir selbst zu neuem Leben erwachen, lasst uns versuchen, den anderen die Hilfe zu geben, die sie brauchen. Denn nur so beginnen wir neu zu leben.

Amen    

 

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