Von der Vergebung – Das Gleichnis vom unbarmherzigen Gläubiger (Mt. 18,23-35)
„Es wäre ganz einfach, wenn unser Herz das Leid oder die Not eines anderen begreifen und darauf  reagieren würde. Doch dies ist schwer, denn unser Herz schweigt. Aber warum ist das so? Nicht etwa deshalb, weil wir einen Menschen, wenn dieser sich schlecht verhält, gleich für einen schlechten Menschen halten? Warum begreifen wir nicht, dass doch jeder ein guter Mensch sein möchte und will. ... Doch oft reicht die Kraft dazu nicht aus und alte Gewohnheiten, Druck von außen oder eine scheinbare Regel seiner Umgebung nehmen ihn wieder gefangen. ...“ aus einer Predigt zum Thema des Vergebens von Metropolit Antonij von Sourozh 
Статья

29. August 1976

Oft fragen wir uns: Wie kann ein Mensch das Heil erlangen? In der heutigen Evangeliumslesung, wie auch in einer ganzen Reihe von anderen, finden wir eine einfache und deutliche Antwort: Unser Heil liegt in unseren Händen. Vergib anderen und auch dir wird vergeben werden. Wenn dir vergeben wird, dann steht das ewige Leben dir offen.

Im heutigen Gleichnis erzählt uns Christus von einem Mann, der eine Unmenge Geld seinem Herrn schuldete, jedoch nichts hatte, um seine Schulden zu begleichen. Sein Herr hatte Mitleid mit ihm und erliess ihm alle Schulden. Als der Mann nach dem Gespräch mit seinem Herrn auf einen anderen traf, der ihm wiederum eine kleine Summe schuldete, begann er schonungslos von diesem sein Geld zu fordern. Der Herr aber sprach daraufhin zu dem Mann: Ich habe dir deinen riesigen Schuldenberg erlassen, wie kannst du dann einem anderen dessen wenige Schulden, die er bei dir hat, nicht auch erlassen?

So erwarten auch wir von Gott, dass sich auf ein einziges Wort des Erbarmens von Ihm hin für uns die Tore des ewigen Lebens auftun. Dabei verschliessen wir diese, vielmehr die kleinen Tore des irdischen Lebens vor einem anderen Menschen. Worauf können wir also hoffen? An einer anderen Stelle im Evangelium heisst es: Mit dem Maß, mit der ihr messt, werdet auch ihr gemessen werden. In den Seligpreisungen hören wir: Selig sind, die sich erbarmen, denn auch sie werden Erbarmen finden. Ebenso im Herrengebet: Vergib uns, wie auch wir vergeben ... Wie einfach scheint dies alles zu sein, doch wie schwer fällt es uns zu vergeben. ...

Es wäre ganz einfach, wenn unser Herz das Leid oder die Not eines anderen begreifen und darauf  reagieren würde. Doch dies ist schwer, denn unser Herz schweigt. Aber warum ist das so? Nicht etwa deshalb, weil wir einen Menschen, wenn dieser sich schlecht verhält, gleich für einen schlechten Menschen halten? Warum begreifen wir nicht, dass doch jeder ein guter Mensch sein möchte und will, dass ein jedes seiner Worte ein gutes sei, dass seine Gedanken und sein Herz rein und sein  Verhalten ein würdiges seien. Doch oft reicht die Kraft dazu nicht aus und alte Gewohnheiten, Druck von außen oder eine scheinbare Regel seiner Umgebung nehmen ihn wieder gefangen: falsche Scham zählen ebenso dazu wie Dinge. Und so wiederholt ein Mensch immer wieder irgendein schlechtes Verhalten.

Doch wir sollten ihn davon befreien: Wir könnten so auf ihn schauen, wie Gott auf ihn sieht: voller Mitleid, so wie man auf einen Kranken schaut oder auf jemanden, der an seiner Krankheit stirbt, die eigentlich hätte geheilt werden können, wenn sich nur andere seiner erbarmt und das Nötige getan hätten. Jeder von uns kann dieses Nötige für die Seele eines anderen Menschen tun. Sieh einen Menschen an und hab Mitleid mit ihm, wenn ihn Bosheit erfüllt, wenn er Rache üben will oder sich in irgendeiner Form schlecht verhält. Hab Mitleid mit ihm und wende dich an ihn mit all dem Licht in deiner Seele und sag ihm: Du kannst mich mit deinem Verhalten nicht in die Irre führen, wie dunkel und hässlich es auch sein mag. Ich weiß, dass du ein Abbild Gottes bist, auch wenn dieses Abbild besudelt ist und entstellt. Ich weiss es und verneige mich deshalb vor dir, vor dem Abbild Gottes in dir und somit vor Gott, denn ich liebe dich wie einen Bruder. ...

Sich so zu verhalten, kann uns sehr viel kosten, doch wenn wir ein und dann ein zweites und ein drittes  Mal so verfahren, dann werden wir sehen, wie ein Mensch sich ändert nur allein dadurch, dass wir an ihn glauben und dass wir ebenso wie Gott auf ihn hoffen. Wie ganz anders wäre die Welt dann um uns herum: eine Welt gegenseitigen Vertrauens. Ja, auf dem Weg dahin müssten wir oft einen hohen Preis zahlen – unser Herz würde oft bluten, es gäbe Tränen und Schmerzen durch unser Mitleid in der Seele. Doch welch eine Freude würde dann herrschen, nicht nur unter den Engeln in den Himmeln, wenn sie sehen, wie ein Sünder zum Heil gelangt, sondern auch in unserer Seele, wenn wir plötzlich begreifen, dass auf unser Mitleid und unsere Liebe hin ein Mensch reagiert und in ihm das ewige Leben zu leuchten begonnen hat.

Amen.         

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