Über Namen und Engel – Zum Fest des Erzengels Michael
„Dies ist das Bild wahrer Heiligkeit und in diesem Sinne sind sie wirkliche Engel, weil wir sie nur an ihrem Schein voll göttlichen Lichtes erkennen. Wir erleben durch sie ein Leuchten, welches nicht abgeschwächt ist oder verdunkelt, sondern sich immer weiter vermehrt und Freude auslöst und Leben spendet. Das Wesen ihrer Existenz und das ihrer Heiligkeit bleiben jedoch auf immer ein Geheimnis zwischen ihnen und Gott, Der allein um die Tiefen Seiner Schöpfung weiss.“ – aus einer Predigt zum Fest des Erzengels Michael von Metropolit Antonij von Sourozh
Статья

Es gibt eine Stelle im Buch der Offenbarung, an der uns der Seher Johannes davon berichtet, dass wir, wenn die Zeit gekommen sein wird und wir alle im Gottesreich sind, jeder von uns einen geheimen Namen bekommt, den nur Gott kennt, Der ihn gibt, und nur der begreift, der ihn erhält. Dieser Name enthält quasi das gesamte Geheimnis eines Menschen. Mit diesem Namen ist alles über ihn gesagt. Diesen Namen kann niemand verstehen außer Gott und der, der ihn trägt, denn er umfasst genau jenes einzigartige und unverwechselbare Verhältnis zwischen Gott und Seiner Schöpfung, zwischen Ihm und jedem einzelnen Seiner Geschöpfe.

Wir tragen die Namen von Heiligen, die ihr Leben gelebt und dabei ihrer Berufung gerecht geworden sind. Wir sind ihnen geweiht, so wie auch Kirchen dem einen oder anderen Heiligen geweiht sind. Wir sollten uns in die Bedeutung des Namens und in die Persönlichkeit unseres Heiligen hineindenken, soweit uns seine Vita überliefert ist. Er betet nicht nur für uns und leistet Fürbitte. Er ist unser Beschützer. Er gibt uns in einem gewissen Maße auch ein Leitbild und zeigt uns, wer wir sein könnten. Man kann das Leben eines anderen nicht wiederholen, doch man kann aus dem Leben des einen oder anderen Menschen lernen - sei es nun ein Heiliger oder auch ein Sünder - würdiger zu leben als bisher, sowohl vor sich selbst als auch vor Gott.

Heute feiern wir das Fest zu Ehren und zum Gedenken an den Erzengel Michael und an die ihn umgebenden Engel. Engel sind Boten. Engel sind die, die der Herr mit einem Auftrag aussenden kann und die diesen auch ganz und gar erfüllen. Es kann seltsam klingen, dass wir eine ganze Gruppe von Geschöpfen des Herren mit einem Namen bezeichnen, der eigentlich nur das bezeichnet, was sie tun, quasi ihre Art von Dienst beschreibt, als ob in ihnen nichts anderes existiere. Doch so ist es in der Tat und darin besteht ihrer Heiligkeit. Sie sind ganz rein und durch sie glänzt das Licht Gottes. Nach dem  Zeugnis von Gregorios Palamas und unserer gottesdienstlichen Bücher, sind sie die zweiten Lichter, ein Abglanz des ewigen göttlichen Lichtes. In ihnen ist nichts verdeckt und verdunkelt, wie bei uns, weswegen wir auch Namen tragen, welche sowohl unseren Platz vor dem Angesicht Gottes als auch den in der Schöpfung des Herrn bestimmen. Die Engel sind die zweiten Lichter. Was bedeutet das?

Dies bedeutet, dass das göttliche Licht sie wie ein freier, breiter Fluss ohne ein Hindernis durchströmt. Nicht jedoch einfach nur so wie durch eine leere Rinne oder durch ein lebloses Glas, sondern so, wie Licht verstömt. Es strahlt, wirft Funken und vermehrt sich. Wenn es auf einen Edelstein fällt und bis zu dessem Herz vordringt, dann erfüllt es von dort mit einem lebendigen Glanz nach allen Seiten hin alles mit seiner Schönheit und kann manchmal sogar blenden.

Dies ist das Bild wahrer Heiligkeit und in diesem Sinne sind sie wirkliche Engel, weil wir sie nur an ihrem Schein voll göttlichen Lichtes erkennen. Wir erleben durch sie ein Leuchten, welches nicht abgeschwächt ist oder verdunkelt, sondern sich immer weiter vermehrt und Freude auslöst und Leben spendet. Das Wesen ihrer Existenz und das ihrer Heiligkeit bleiben jedoch auf immer ein Geheimnis zwischen ihnen und Gott, Der allein um die Tiefen Seiner Schöpfung weiss.

Die ganz persönliche Heligkeit eines Engels ist für uns jedoch noch sichtbar in dessen eigenem Namen, mit dem jeder von ihnen benannt ist. Einige dieser Namen haben in die Heilige Schrift Eingang gefunden und gehören zum Erfahrungsschatz der Kirche. Sie zeigen uns, worin ihre besondere Heiligkeit besteht. Der Erzherr der Himmlischen Kräfte trägt den Namen Michael. Viele von uns hier, wie ebenso auch in Russland tragen seinen Namen. Sie alle sind also ihm geweiht. Michael ist ein hebräischer Name uns bedeutet „Niemand ist so wie Gott“. Dies sagt bereits alles über das Wesen dieses großen Erzengels.

Als die „Rechte Hand“ sich gegen Gott erhob, um sich in einer gewissen, wenn auch geschöpflichen Eigenständigkeit und Selbständigkeit zu behaupten, stand der große Erzengel Michael auf und sprach ein einziges Wort: „Keiner ist so wie Gott“. Dieses Wort bestimmte alles andere für ihn. Sein Verhältnis zu Gott hatte sich nun so bekräftigt und es machte ihn zum Wächter der Tore des Paradieses. „Niemand ist wie Gott“ - darin drückt sich alles aus, was der Große Erzengel von seinem Gott wußte. Er beschreibt Ihn nicht, er erklärt Ihn nicht. Er erhebt sich lediglich und gibt Zeugnis von Ihm ab. Darin wurde sichtbar, wie auch in ihm das Göttliche Licht strahlt und in welchem Maße er dieses Strahlen weitergibt, um uns den Weg in das Mysterium Gottes aufzutun: durch sein Wort und durch seinen Namen, der all seine unbegreifliche Erfahrung des unfassbaren Gottes ausdrückt.

Auf den Ikonen wird der Erzengel in einem Harnisch und mit einem Flammenschwert dargestellt. Er zertritt einen Drachen, der das Böse an sich darstellt. Der Erzengel steht an den Toren zum Paradies und lässt niemanden in diesen heiligen und ehrwürden Ort hinein, der dazu nicht bereit ist. Weiterhin wird er auf der Tür der Ikonostase dargestellt, durch die der Klerus aus dem Atarraum herauskommt: der Priester mit dem Evangelium oder mit den Gaben während des Großen Einzuges wie ebenso der Diakon für die Bittgebete. Es ist jene Tür, durch die während der Liturgie zu den liturgischen Handlungen niemand in das Allerheiligste, in den Altar einzieht.

Ein anderer Erzengel, Gabriel, dessen Namen man mit „Gottes Festung“ übersetzen könnte, wird auf der Tür in der Ikonostase dargestellt, durch die der Diakon während des Gottesdienstes in den Altarraum zurückkehrt. Gabriel ist jener, der uns zuruft, dass die Tore geöffnet sind, dass wir wieder dorthin, wo Gott ist, zurückkehren können, dass uns die Stärke Gottes erschienen ist, Gott gesiegt hat und für uns das Heil bereitet ist. Vom Evangelisten Lukas wissen wir, dass der Erzengel Gabriel dem jüdischen Priester Zacharias die Botschaft von der Geburt des Johannes überbracht und ebenso der Jungfrau Maria verkündet hat, dass sie vor Gott Gnade gefunden habe und den Heiland für die Welt gebären wird. Deshalb sehen wir ihn auf Ikonen mit einem Olivenzweig in der Hand, das Zeichen für den neuen Frieden zwischen Gott und der Welt.

Über den Erzengel Rafael lesen wir im Buch Tobit, wie dieser dessen Sohn Tobias begleitet und Tobit uns dessen Schwiegertochter gesund gemacht hat. Sein Name bedeutet „das Heil Gottes“. Auch über die anderen Erzengel und Engel berichtet uns die Heilige Schrift und der Glauben der Kirche. Gleichfalls erzählt uns die Erfahrung der Christen von den Schutzengeln.

Am Tag des Heiligen, dessen Namen wir tragen, sagen wir, dass dies der Tag unseres Engels ist. In einem gewissen Sinne - da wir ja in der Tat unserem Heiligen geweiht sind - ist dies auch richtig. Doch unser Zwiegespräch im Gebet gestaltet sich mit verschiedenen Heiligen, wie ebenso auch mit  gewöhnlichen Leuten, die uns umgeben, sehr unterschiedlich. Die einen sind uns durch das Gebet und ihre Vita, die wir gerne nachahmen würden, persönlich näher, von anderen sind wir eher von ferne her begeistert. Mit unserem Schutzengel ist unser Verhältnis ein ganz anderes. Wir sind ihm übergeben und er ist unser Beschützer, unanbhängig davon, ob wir uns nun an ihn wenden, an ihn denken oder auch nicht. Dieses Verhältnis gleicht jenem unzertrennlichem Band zwischen uns und unserer Mutter und unserem Vater, was auch immer wir über sie denken mögen oder wie auch immer wir uns ihnen gegenüber verhalten. ...

Und noch etwas. Auch auf der Erde wurde ein Mensch als Bote und Engel des kirchlichen Glaubens bezeichnet: Johannes der Täufer. Von ihm lesen wir ebensolche Dinge, wie ich sie gerade über die Engel gesagt habe. Zu Beginn seines Evangeliums sagt Markus über ihn: Er ist die Stimme, die in der Wüste ruft, er ist die Stimme, er ist der Schall der Stimme Gottes, er ist ein Engel, denn durch ihn spricht Gott Selbst. Vo sich selbst sagt er jedoch, dass es ihm zusteht klein zu werden, damit das Bild des Herrn in voller Größe vor den Menschen erstehen kann.   

Dies ist auch unser Weg auf der Erde. Wir sollen immer kleiner werden und immer weiter all das aufgeben, was uns zwar wertvoll erscheint, jedoch eigentlich nur eine Vertrübung unserer sichtbaren Existenz darstellt. Wir sollten versuchen, immer durchsichtiger zu werden und quasi unsichtbar, so wie ein Edelstein, den man kaum sehen kann. Denn nur durch das Licht, wenn es auf ihn trifft, wird dieser sichtbar und alles um ihn herum erleuchtet. Uns scheint es zwar, dass wir so etwas von unserer zeitlichen Existenz verlieren, doch nur um etwas mehr von Gott zu begreifen, was uns niemand nehmen kann. Dies ist das einzigste, was jeder von uns, der sich mit einem „Ich“ bezeichnet, besitzen und auch allen anderen zeigen kann. Denn jeder von uns begreift Gott auf seine einzigartige und unwerwechselbare Weise. Unser Weg führt von der Erde zum Himmel, von unserer schweren Körperlichkeit weg in eine Lichhaftigkeit und Durchsichtigkeit. Dafür ist Johannes der Täufer, der wie ein Engel auf Erden ist, ein wahrhaftiger Zeuge. Er ist auf dem Weg. Diesen Weg zeigt uns aber auch Der, Den die Heilige Schrift den „Engel des Großen Rates“ nennt: Gott, der im Fleische erschienen ist.

Dies sind alles Bilder, Gedanken und Ideen, die aus unserer Verehrung der Engel erwachsen, aus unserer Liebe zu ihnen, aus unserem Zwiegespräch mit ihnen im Gebet und aus ihrer Fürbitte für uns. Diese Gedanken können uns helfen, damit auch unsere eigene Seele ihren Weg finden möge  von der Erde zum Himmel, aus der eigenen Dunkelheit zur vollendeten Lichthaftigkeit. Auf die Gebete der Engel und Erzengel hin möge uns der Herr, der aus freiem Willen und aus Liebe zu Gott ganz von sich abgesehen hat, helfen, damit auch wir immer kleiner werden können, sodass Gott Selbst in jedem von uns in vollem Maße zu scheinen beginnen kann.

Amen  

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