Von der christlichen Liebe
„Wir sind dazu berufen mit einem weiten Herzen zu lieben. Eine solche Großzütgigkeit, auch eine angeborene, ist davon gekennzeichnet, dass der Mensch danach dürstet zu geben, dass er sich freut, wenn er etwas verschenken kann, was er nicht nur nicht braucht, sondern was ihm gerade sehr viel bedeutet, ja in letzter Konsequenz sogar sein Herz, seine Gedanken, sein Leben. Wir haben es nicht gelernt zu lieben. Das ganze Leben aber ist für uns eine Schule der Liebe. Wenn wir es es nicht so begreifen, dann ist es umgekehrt nur eine furchtbare Zeit dunklen und kalten Fremdseins.“ – aus einer Predigt zum 19. Sonntag nach Pfingsten von Metropolit Antonij von Sourozh
Статья

28. Oktober 1973

In der heutigen Evangeliumslesung spricht Christus von der christlichen Liebe nicht in allgemeinen Worten, sondern sehr konkret, einfach und verständlich. Aus Liebe wird christliche Liebe, ja sogar Göttliche, wenn derjenige, der liebt, sich selbst vergisst. Sich selbst bis zum letzten zu vergessen, ist den Heiligen eigen, zu Lieben jedoch, ohne dafür etwas zu verlangen, ohne dafür Gegenliebe zu erbitten, zu fordern oder zu erpressen oder irgendeine Form von Dankbarkeit, ist der Beginn der christlichen Liebe. Sie wächst dann zur Liebe Christi heran, wenn die freie Gabe zu lieben sich nicht mehr nur auf die Geliebten bezieht (dieses vermögen alle Menschen), sondern auch auf die Ungeliebten, ja sogar auf die, die uns hassen, die uns als Feinde ansehen, die wir als Fremde betrachten. Wenn wir es nicht schaffen, unsere Liebe auch auf jene zu verströmen, die unsere Feinde sind, dann bedeutet dies, dass wir uns noch immer zu wichtig nehmen und dass all unser Tun und all unser Fühlen noch immer aus einem menschlichen Bewußtsein entspringen, welches noch nicht verwandelt und noch nicht eingedrungen ist in das Mysterium Christi.

Wir sind dazu berufen mit einem weiten Herzen zu lieben. Eine solche Großzütgigkeit, auch eine angeborene, ist davon gekennzeichnet, dass der Mensch danach dürstet zu geben, dass er sich freut, wenn er etwas verschenken kann, was er nicht nur nicht braucht, sondern was ihm gerade sehr viel bedeutet, ja in letzter Konsequenz sogar sein Herz, seine Gedanken, sein Leben. Wir haben es nicht gelernt zu lieben. Das ganze Leben aber ist für uns eine Schule der Liebe. Wenn wir es es nicht so begreifen, dann ist es umgekehrt nur eine furchtbare Zeit dunklen und kalten Fremdseins.

Christus zeigt uns den Weg, wie man das Lieben lernen kann: Jedesmal, wenn ich auf dem Weg der Liebe an mich selber denke, immer, wenn ich mir selbst im Wege stehe, quasi zwischen meiner lebendigen und wahrhaftigen Bewegung im Herzen und meinem tatsächlichen Handeln, sollte ich zu mir sagen: Geh von mir, Satan (Mk. 8,33); du hast nur das Irdische vor Augen, nicht jedoch den Himmel. Jedesmal, wenn ich Liebe gebe und gleichzeitig Gegenliebe verlange oder irgendwelche Dankbarkeit für mein Wohlwollen, sollte ich mich an Gott wenden und Ihm sagen: Verzeih Herr, ich habe das Mysterium der Göttlichen Liebe befleckt ... Jedesmal, wenn ich auf jegliche Form von Hass, Verleumdung, Ablehnung und Entfremdung seitens eines anderen mit Rückzug in sich selbst reagiere und meine, dass dieser Mensch mir fremd ist und mein Feind, solle ich mir sagen, dass ich mich so aus dem Mysterium der Liebe ausschliesse  – nicht nur in mir, sondern auch für mich –, dass ich so nicht mehr in Gott bin und ausserhalb der Bruderschaft der Menschen und dass ich mich nicht mehr einen Jünger Christi nennen darf.

Hier ist der Weg. Christus hat nicht umsonst gesagt, dass der Weg ins Himmelreich eng ist und das Tor schmal. Der Weg ist sehr eng und das Gebot Christi verlangt von uns alles ab. Es ist deshalb so schonungslos, weil es die Sphäre der Liebe betrifft und nicht nur die des Gesetzes. Das Gesetz stellt bestimmte Regeln für das Leben auf, doch es endet immer irgendwo und jenseits dieser Grenzen sind wir frei von ihm. Liebe jedoch kennt keine Grenzen, sie erfordert bis zu Ende unsere gesamte Existenz. Wir können uns nicht nur mit einem Teil der Seele für etwas erwärmen. Wenn wir dies zulassen, dann werden wir erlöschen und abkühlen. Unser gesamtes Herz, unser Wille, unser ganzer Körper sollten von den Flammen erfasst werden. So verwandeln wir uns in einen brennenden Dornbusch, in jenen Strauch, den Moses in der Wüste gesehen hat, der vollends in Flammen stand, ohne dabei zu verbrennen. Wenn die menschliche Liebe nicht erleuchtet wird durch das Göttliche Mysterium, frisst sie ihr Objekt, von dem sie sich ernährt, auf. Die Göttliche Liebe brennt und verwandelt alles in eine lebendige Flamme, ohne sich von dem, was brennt, zu ernähren. In der Göttlichen Liebe verbrennt all das, was nicht ewig zu leben vermag. Was bleibt sind reine und lichte Flammen, die den Menschen in Gott verwandeln, wie es das Alte Testament ausdrückt und wie es Christus bestätigt. Lasst uns diese Liebe lernen, indem wir uns von ihr entflammen lassen, uns von uns selbst abkehren und zu Opfern bereit sind, denn nur dann können wir wirklich sagen, dass wir zu Jüngern Christi geworden sind.

Amen            

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