Zum Palmsonntag
„Der Einzug des Herrn in Jerusalem sieht so feierlich aus und ist von einer solchen Herrlichkeit erfüllt.  Gleichzeitig jedoch ist er Teil eines schrecklichen Mißverständnisses. Die Bewohner Jerusalems empfangen Christus, den Heiland mit feierlichem Jubel, weil sie hoffen, dass Er ihr Volk vom politischen Joch befreien wird. Als sich jedoch herausstellt, dass der Heiland dazu gekommen ist, um die Menschen und die gesamte Welt von der Sünde zu befreien: von der Lüge, von jener Leere, die man überall da spürt, wo es keine Liebe gibt, und  vom Hass, wenden sich die Leute voller Bitterkeit und Enttäuschung von Ihm ab.“ – aus einer Predigt zum Palmsonntag von Metropolit Antonij von Sourozh
Статья

Wir begeben uns heute in die Karwoche, das heisst hinein in jene Tage, an denen unser Herr gelitten hat, an denen sich die Finsternis verdichtet hat und das neue Licht langsam zu dämmern begonnen hat, der Schein der Ewigkeit, welchen nur der zu erfassen vermag, der gemeinsam mit Christus auch in die Finsternis tritt. Es ist jene Finsternis oder auch Halbdunkel bzw. Dämmerung, in der sich die Wahrheit mit der Lüge vermischt haben, in der sich alles vermengt hat, was man nur vermischen kann: Der Einzug des Herrn in Jerusalem sieht so feierlich aus und ist von einer solchen Herrlichkeit erfüllt. Gleichzeitig jedoch ist er Teil eines schrecklichen Mißverständnisses. Die Bewohner Jerusalems empfangen Christus, den Heiland mit feierlichem Jubel, weil sie hoffen, dass Er ihr Volk vom politischen Joch befreien wird. Als sich jedoch herausstellt, dass der Heiland dazu gekommen ist, um die Menschen und die gesamte Welt von der Sünde zu befreien: von der Lüge, von jener Leere, die man überall da spürt, wo es keine Liebe gibt, und vom Hass, wenden sich die Leute voller Bitterkeit und Enttäuschung von Ihm ab. Und alle die, die Ihn so feierlich empfangen haben, werden Seine Feinde. Im Verlaufe der gesamte Woche wechseln Finsternis und Halbdunkel immer wieder mit Funken des Liches ab.

Auch wir sollten in diese Finsternis hineingehen. Nicht nur gemeinsam mit Christus, sondern auch zusammmen mit all den anderen, die Ihn damals umgeben haben. Wir sollten in diese dunklen Tage hineingehen und dort, in dieser Finsternis, in diesem Halbdunkel, unseren wirklichen Platz finden. Schritt für Schritt können wir verfolgen, was mit Christus, dem Heiland passiert. Gleichzeitig sollten wir uns dabei aber auch immer die Frage stellen: Wo stehen wir, wo stehe ich ganz persönlich? Was habe ich mit der Allheiligen Jungfrau, der Gottesmutter gemeinsam, die mitansehen muss, wie ihr Sohn in den Tod geht, wie sich um Ihn herum der Hass verdichtet und wie ein Ring verschließt, wie Angst und Feigheit, Hass und Lüge langsam Seinen Tod herbeiführen? Jeder von uns kann sich gut vorstellen, was die Gottesmutter durchlebte, als sie von dem Verrat Judas erfuhr, von der Verleugnung Petri, von der Flucht der Jünger, von den falschen Aussagen gegen ihren Sohn, von dem unrechtmäßigen Gericht, von der Verspottung, der Schläge und zum Schluss auch noch von dem Kreuzestod Christi des Heilandes. Was sollen wir ihr auf all das antworten? Wenn wir dies alles hören, wie es uns aus dem Heiligen Evangelium verlesen wird und wie es uns in den kirchlichen Gesängen und Gebeten immer wieder dargebracht wird, wie verlassen wir daraufhin die Kirche? Meistens vergessen wir es sofort, wollen einfach nur seelisch und körperlich ausruhen und uns auf den nächsten Gottesdienst vorbereiten. Oft aber tauchen wir ganz im Leben dieser Welt unter. Die Karwoche jedoch dauert an. Sie schreitet von Tag zu Tag, von Augenblick zu Augenblick, sie kennt keine Pause. Sie gleicht vielmehr einer Feuersbrunst, die mit ihren Flammen alles entzündet. Vieles verbrennt so, dass davon nichts als Asche übrigbleibt und schändliche Erinnerungen. Einiges jedoch bleibt bestehen, so wie Gold und Silber. ... Wo werden wir dann sein? Wie werden wir diese Tage durchleben? Womit verlassen wir jeden Tag die Kirche? Womit werden wir der Auferstehung Christi entgegengehen? Dies alles wirft auch ein Licht darauf, wie wir am Ende der Zeiten, nach unserem Tod, auf Christus treffen werden, Der uns so geliebt hat, dass Er den Tod am Kreuz auf Sich genommen hat. Er stellt uns nur eine Frage: Und Du? – tust du etwas, nach allem, was du nun von der Göttlichen Liebe weißt, die Mensch geworden ist, sich hat kreuzigen lassen und auferstanden ist? Wir sollten uns die Frage stellen, welchem Apostel wir ähneln? Etwa Thomas, der zu seinen Apostelbrüdern gesagt hat: Lasst uns mit Ihm gehen und mit Ihm sterben? Etwa Petrus, der Ihn aus Angst dreimal verleugnet hat. Oder etwa Judas, der Ihn verraten hat? Wo sind wir in dieser Menge von Menschen? Wer sind wir? Wir sollten uns diese Frage jedes Mal stellen, wenn wir aus dem Gottesdienst kommen, jedes Mal, wenn wir erneut in die Kirche gehen. Dann wird vielleicht auch in unserer Seele etwas erwachen und uns tief berühren. Dann wird für uns diese Karwoche, wie auch in der Vergangenheit für viele andere, ein neuer Anfang sein, der Beginn  eines neuen Verstehens, eines neuen Erlebens und eines neuen Lebens.

Amen    

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