Der Heilige Petr von Moskau
„Jedes Mal, wenn wir beginnen, jemanden zu lieben, legen wir den Grundstein für seine Verwandlung, denn niemand kann zu einem besseren Menschen werden, wenn er nicht von irgendjemand geliebt wird, wenn nicht irgendjemand an ihn glaubt und  überzeugt ist, dass noch alles möglich ist und er nicht unbedingt in seiner Sünde zugrunde gehen und durch das Böse und durch Leid entstellt enden wird, sondern vielmehr noch einmal neu zu leben anfangen kann und auferstehen in all der Schönheit und Herrlichkeit, zu der der Herr ihn berufen hat.“ – aus einer Predigt über den Heiligen Petr von Moskau, von Metropolit Antonij von Sourozh
Статья

05.09.1972

Was ist ein Bischof? In erster Linie ist er mein Mensch, den Gott dazu berufen hat, in Seinem Namen Menschen zu segnen und alles Irdische mit der Kraft und der Gnade des Wortes des Lebendigen Gottes zu heiligen. Diese Heiligung beginnt in dem Moment, in dem der Mensch sich selbst ganz in Gottes Hände gibt und sich als lebendiges Opfer darbringt, um so ganz Gott zu gehören. Das größte und vollkommenste Beispiel finden wir in der Person des Johannes des Täufers, von dem es im Evangelium heißt – indem es die Worte des Propheten Jesaja zitiert - dass er die Stimme war, die in der Wüste ruft. Er war schon kein Mensch mehr, der die Worte Gottes verkündet, er war vielmehr ganz die Stimme Gottes, die laut durch den Mund eines Menschen ertönte. Gott redete mit ihm. Er war in einem solchen Maß Herr über Johannes, dass dieser ganz zu Seiner Stimme wurde, ganz Seine Kraft war und in allem Sein Tun.

So geschieht es mit jedem Menschen, der sich bis zum Schluss, ganz und ohne zu zögern, in einer heldenhaften Art und Weise, die uns manchmal erschrecken lässt, in die Hände Gottes gibt und sich als lebendiges Opfer darbringt, indem er Gott sagt: Ich bin dein. Tu mit mir, was du willst! Es möge nur auf der Erde, in mir, um mich herum und durch mich Dein Wille geschehen, dass er alles verwandeln und heiligen möge!

So ein Mensch war auch Metropolit Petr, dessen wir heute gedenken. Auch er hatte sich ganz in Gottes Hände gegeben. Er hatte es von Ihm, von unserem Gott, gelernt, in einer solchen Weise zu lieben, dass er es vermochte, das Leben und die Menschen um ihn herum zu verzaubern. Liebe kann wirklich verklären und verwandeln. Oft denken wir uns: wenn doch nur die Menschen um uns herum besser wären, wie leicht würde es dann sein, sie zu lieben. Ja, aber dies wäre dann keine wirkliche, schöpferische und alles verwandelnde Heldentat der Liebe. Es wäre vielmehr nur eine freudige Reaktion auf die Heiligkeit, die Güte und die innere Schönheit eines anderen Menschen. Liebe beginnt aber da, wo wir beginnen, die Menschen so zu sehen, wie der Herr sie sieht: die einen in ihrer Herrlichkeit und wunderbaren geistigen Schönheit, worüber wir uns freuen und Gott dafür  danken, sie so sehen zu können; andere jedoch auch in ihrem Dunkel, verfinstert und zerschunden von der Sünde und entstellt durch das Böse, sie aber auch dann zu lieben, voller Mitleid und warmer Zärtlichkeit. Jedes Mal, wenn wir beginnen, jemanden zu lieben, legen wir den Grundstein für seine Verwandlung, denn niemand kann zu einem besseren Menschen werden, wenn er nicht von irgendjemand geliebt wird, wenn nicht irgendjemand an ihn glaubt und  überzeugt ist, dass noch alles möglich ist und er nicht unbedingt in seiner Sünde zugrunde gehen und durch das Böse und durch Leid entstellt enden wird, sondern vielmehr noch einmal neu zu leben anfangen kann und auferstehen in all der Schönheit und Herrlichkeit, zu der der Herr ihn berufen hat.  

Die Heiligen Kirchenväter haben es vermocht, so zu lieben. Sie konnten lieben und sich dabei selbst vergessen. Sie konnten lieben und das Böse in ihren Mitmenschen einfach übersehen, weil sie sehen konnten, wie sehr diejenigen, die das Böse tun, selbst darunter leiden und sich quälen. Der Heilige Petr konnte das Leben um sich herum heiligen, weil er die Menschen zu lieben vermochte. Er war in der Lage, sich in das Leben anderer hineinzuversetzen und in ihnen all das zu sehen, was zu einem Teil des Reiches Gottes werden konnte. Er war in der Lage, sich in das Leben anderer hineinzuversetzen und die Geschehnisse in das Mysterium der göttlichen Vorsehung hineinzustellen. Er vermochte es, mit großer menschlicher Liebe und mit der grenzenlosen Liebe Gottes die Menschen um sich herum zu beschenken. Gleichzeitig heiligte er die Menschen aber nicht nur mit seiner alles verwandelnden Liebe, sondern auch durch die Sakramente der Kirche.

Diese Sakramente der Kirche: die Taufe, die Kommunion und die Myronsalbung, die uns mit den Gaben des Heiligen Geistes versiegelt, die Trauung, die Priesterweihe und die Beichte – sind alles Handlungen Gottes, die kraft des Herrn, des Heiligen Geistes, innerhalb der Kirche, unter dem Volk Gottes vollzogen werden. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn der Mensch selbst im Glauben lebt und lieben kann. Wenn wir nur begreifen könnten, was mit der Schöpfung geschieht, wenn die Sakramente der Kirche vollzogen werden!

Seht: Christen versammeln sich in ihrer Gemeinde. Einer von ihnen, der von Gott herausgehoben und besonders geheiligt ist, spricht die Gebete der Kirche vor Gott. Und der Heilige Geist steigt auf das Wasser für die Taufe hernieder und auf das dargebrachte Brot und den Wein. Und er verwandelt sie in die Neue, verklärte Schöpfung. Denn nun ist es schon kein gewöhnliches Wasser mehr und auch nicht mehr einfach nur Brot und Wein. Dieses Wasser und die Gaben sind erfüllt mit der Kraft, des Tuns und der Gegenwart des Heiligen Geistes. Sie sind erfüllt von Engelskräften und können uns verwandeln, uns Menschen in neue Geschöpfe. Das Brot und der Wein sind schon zu Leib und Blut Christi geworden. Was für ein großes Mysterium! Auf wundersame Weise und voller Mitleid, die der Bischof mit Gott gemein hat, und durch das Mitfühlen Gottes, der in der Seele seines Bischofs lebt und aus Liebe zu den Menschen mit ihnen fühlt, wird der Bischof zum Geber. Und mit der Gabe, die er uns vom Lebendigen Gott reicht (dank seiner Hingabe zu Gott und seines eigenen Vermögens, wirklich Gott zu lieben), verwandelt er uns. Und so wirkt die Liebe Gottes, die unendliche Liebe, die sich nicht schont und die die Guten und Bösen auf gleiche Weise umarmt und alle zum Heil ruft. Ist dies nicht wunderbar?

Und  noch ein letztes, was ich euch sagen möchte! Auf dem Athos herrscht die Ansicht, dass niemand wirklich der Welt entsagen kann, wenn er nicht in den Augen oder auf dem Gesicht wenigstens eines Menschen den Schein des Ewigen Lebens gesehen hat. In den Heiligen, an denen unsere Kirche so reich ist, war wirklich dieser lebenspendende, alles verklärende und mit Freude erfüllende Schein des Ewigen Lebens Gegenwart geworden. Es waren Menschen, die bereits auf der Erde mit der Ewigkeit lebten, die in der Tat durch ihren Glauben und ihre Liebe zu wahren Gliedern das Leibes Christi geworden waren, der für das Heil der Welt gebrochen wird. Es waren Menschen, die auf die Verheißung des Alten und des Neuen Testaments hin zu Wohnstätten des Heiligen Geistes wurden. Sie haben, wie es der Apostel Petrus ausdrückt, an der Göttlichen Natur selbst Anteil  gewonnen. In ihnen waren die Mysterien Gottes unter uns ganz gegenwärtig, Wenn man auf sie sieht, dann lässt sich die Herrlichkeit des Menschen erahnen, die sich am Ende der Zeit ganz offenbaren wird. So wie wir schon jetzt, wenn wir auf das geweihte Wasser und auf die gewandelten Gaben schauen, die schon verwandelte und verklärte Schöpfung sehen, so können wir erahnen, was mit der Welt geschehen wird, wenn Gott alles in allem sein wird.

Ist dies nicht wunderbar? Ist dies nicht eine Freude, dass es uns gewährt ist, eine ganze Schar von Heiligen in unserer Kirche zu haben. Ist es nicht ein Glück, dass wir uns heute Abend hier versammeln konnten und uns gemeinsam freuen, eines Herzens zu sein, gemeinsam nur an eins zu denken und zusammen große Freude darüber zu empfinden, dass unsere russische Erde Gott eine solche Frucht dargebracht hat? Der Heilige Petr ist einer von uns. Wir sind Fleisch von seinem Fleisch und Blut von seinem Blut. Er ist unser und er zeigt uns, was die Liebe Gottes mit einem Menschen macht, wenn dieser sich ihr ganz hingibt, und wie ein Feuer alle um sich herum entzünden kann.

Der Herr ruft auch uns - jeden von uns! - dorthin. Auch wir sind aufgefordert, an Seiner Liebe Anteil zu nehmen und so eins mit Ihm zu werden und sich dem Tun des Lebensspendenden Geistes zu öffnen, wie ebenso des Herrn, der alles erschafft, dass durch uns und in uns das Gleiche geschehen möge. Schaut wie wunderbar unsere Heiligen sind! Können wir denn mit uns selbst und mit anderen um uns herum kein Mitleid empfinden? Bringen wir es etwa nicht fertig, uns aus Liebe zu Gott und zu anderen selbst zu vergessen? Wenn wir es nur wollten, dann würde der Herr uns mit Seiner Liebe in uns ein Feuer entfachen und es so einrichten, dass wir der Welt Licht schenken und sie um uns herum erwärmen. Einen Heiligen zu verehren, bedeutet nicht nur ihn zu besingen, sondern auch sich an ihm ein Beispiel zu nehmen.  Lasst uns also heute von ihnen lernen und uns begeistern. Lasst uns mit anderen, neuen Augen einander anschauen: auch die, die wir eigentlich nicht besonders mögen, die uns egal sind und fremd und lasst uns daran denken, dass der Herr sie liebt und dass Er es uns allen aufgetragen hat, einander so zu lieben, dass zwischen uns das Reich Gottes erblüht. Lasst uns also – wie es der Apostel schreibt – einander unsere Lasten tragen und so das Gesetz Christi erfüllen! Wenn jemand zweifelt, dass die Kräfte dafür nicht ausreichen werden, dann denkt daran, was der Herr dem Apostel Paulus geantwortet hatte, als dieser Ihn um Kraft bat: Meine Gnade möge dir genügen, denn meine Kraft wirkt in deiner Schwachheit. Paulus antwortet ihm: Deshalb werde ich mich nur meiner Schwachheit rühmen, denn alles ist mir möglich in dem mich stärkenden Jesus Christus.

Amen

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