Die kanaanäische Frau und der blinde Bartimäus (Mt. 15,21-28)
„Dieses Gespräch ist ein solch warmes, ein so menschliches. Es zeigt uns ein weiteres mal die Menschlichkeit Gottes, Seine wahrhaftige Menschlichkeit, Seine Fähigkeit immer zu hören, immer mit dem Herzen zu reagieren, Sich uns immer mit einem Lächeln zuzuwenden und uns dabei zu fragen: Bittest du wirklich aus voller Überzeugung? Bist du dir sicher? Und wenn wir antworten: Ja, Herr, ich bin mir ganz sicher, aus der Tiefe meiner Not und meiner Überzeugung wende ich mich an Dich und an niemanden anderen, nur an Dich, mein Herr und Gott, dann antwortet Christus uns.“ -  aus einer Predigt zu Evangeliumslesung von der Kananäerin von Metropolit Antonij von Sourozh.
Статья

6. 2. 1989

Wie vertraut und wie nahe ist uns allen die Erzählung von der Frau aus Kanaan, die der Herr erhört hatte, nachdem sie Ihn hartnäckig immer wieder gebeten hatte, ihre Kind zu heilen. Wie viel wichtiges können wir daraus lernen!

Diese Frau, voller seelischem Schmerz und einem Herzen, das dem Zerbrechen nahe war, wandte sich an Christus, weil ihre Tochter krank war: Sie bat Ihn, dass Er diese heilen möge und dass Gott barmherzig sei. Christus jedoch scheint sie nicht zu hören. Erst, nachdem sie Ihn immer wieder und immer nachdrücklicher um Hilfe bittet, antwortet Er ihr: Ich bin gekommen, um den Kindern Israels das Erbarmen und Heilung zu bringen ... Die Frau sieht Ihn an, doch sie kann keinerlei Härte und keinerlei herzlose Gleichgültigkeit in Seinem Gesicht entdecken. Wahrscheinlich war es eher ein Lächeln, ein Lächeln voll unendlicher zärtlicher Liebe, was ihr sagte: Bitte weiter! Beharre auf dem, was du suchst! Mach weiter, denn du hast recht! Und so bat sie Ihn wieder: Ja, am Tisch essen die Hausherren, doch die Hunde ernähren sich von den Krümeln, die herunterfallenden! ... Dieses Gespräch ist ein solch warmes, ein so menschliches. Es zeigt uns ein weiteres mal die Menschlichkeit Gottes, Seine wahrhaftige Menschlichkeit, Seine Fähigkeit immer zu hören, immer mit dem Herzen zu reagieren, Sich uns immer mit einem Lächeln zuzuwenden und uns dabei zu fragen: Bittest du wirklich aus voller Überzeugung? Bist du dir sicher? Und wenn wir antworten: Ja, Herr, ich bin mir ganz sicher, aus der Tiefe meiner Not und meiner Überzeugung wende ich mich an Dich und an niemanden anderen, nur an Dich, mein Herr und Gott, dann antwortet Christus uns.

Christus reagiert jedoch nicht nur auf die Bitte der Kananäerin. Er erfüllt mehr als sie gebeten hat. Er lehrt seine Jünger und ebenso auch uns alle etwas sehr wichtiges. Seit Jahrhunderten hören wir diese Geschichte und wenn wir über uns nachdenken, eben genau in jenen Kategorien, in denen so viele kluge Männer in der alten Zeit über den Menschen geschrieben haben, über seine Seele, über den Menschen als ganzes, dann können wir aus dieser Geschichte etwas sehr konkretes und praktisches für uns lernen. Wir wenden uns an Gott in der Not, wir bitten Ihn um Hilfe, damit Er unsere Last von unseren Schultern nehme. Ja, so ist es. Aber geschieht es nicht allzu oft, dass wir schon nach kurzer Zeit aufgeben, die Schultern hängen lassen und uns fragen: Warum soll ich mich an Gott wenden? Warum beten? Er nimmt an meiner Not keinen Anteil. Er kommt mir nicht entgegen. Er gibt keine Antwort. Keinerlei Reaktion. Ich schreie einen leeren Himmel an. Wo ist Er? Macht es überhaupt Sinn zu beten? Und hier antwortet uns die Kananäerin: Ja, es lohnt sich zu beten, denn der Herr prüft dich nicht aus Hartherzigkeit, sondern fragt dich lediglich in Seinem Schweigen: Bist du dir wirklich sicher? Willst du in der Tat geheilt werden? Bist du wirklich in letzter Hoffnung zu Mir gekommen? Bist du bereit, anzunehmen, worum du bittest – voller Demut und nicht als etwas, was dir zukommt. Nimmst du es an mit dem Gefühl, ein Recht darauf zu haben, oder kannst du es rein als Gabe der Barmherzigkeit, der Liebe und der zärtlichen Sorge Gottes begreifen?

In einiger Zeit nähern wir uns erneut den Wochen, die uns auf die Große Fastenzeit einstimmen wollen. Gewöhnlich wird an einem dieser Sonntage das Evangelium von Bartimäus verlesen. Die Evangelisten Markus und Lukas erzählen uns diese Geschichte von jenem verkrüppelten Menschen, der alles ausprobiert hat, um geheilt zu werden, sowohl seinen eigenen Verstand, wie auch die Weisheit und Fähigkeiten anderer Menschen. Alles war vergebens. Und plötzlich trug es sich zu, dass Christus an ihm vorbei ging. Christus kam nicht auf ihn zu. Er kam einfach nur des Wegs, wo der Blinde saß und bettelte, weil dies alles war, was ihm vom Leben übrig geblieben war. Er erwartete keinerlei Heilungen mehr oder was auch immer. Sich einfach nur durchzuschlagen und nicht des Hunges zu sterben, das war es, worin sein Leben noch bestand. Und plötzlich flammte in ihm neue Hoffnung auf. Irgendwer geht an mir vorbei und die Menschenmenge klingt so sonderbar. Das ist keine Karawane, das sind nicht nur einfach Leute, die vorübergehen. Diese Menschenmenge ist auf etwas bestimmtes konzentriert. Etwas ist anders in dieser Masse. Und der Blinde fuhr auf und fragte, wer dort vorrübergeht? Als er hörte, wer, sprang er auf und schrie um Hilfe. Und Christus gab ihm, worum er bat. Er schenkte ihm die Sehkraft zurück. Er heilte seine Erblindung.

Wenn wir uns in diese beiden Erzählungen hineindenken, können wir dann etwa nicht etwas sehr wichtiges für uns lernen? Unsere Seele ist erkrankt, das Leben welkt dahin – ich meine das ewige Leben gar nicht zu sprechen vom Leben unseres Leibes; etwas stirbt in uns und wir sollten von der Kananäerin und von Bartimäus lernen aus voller Tiefe zu rufen: aus der Tiefe der Verzweiflung, des Herzens, welches den Glauben verloren hat, aus der Tiefe eines ausweglosen Leidens, aus der Tiefe der Sünde – ja, aus dem Abgrund von all dem, was uns zerstört: Schreien und Weinen und sich Gott anvertrauen: Ich glaube an Dich Herr, ich vertaue auf Dein Schweigen ebenso, wie ich Deinem Wort glauben würde. Dann, wenn wir uns einzig auf ein solches Vertauen einlassen können, dann werden wir die Stimme des Herrn vernehmen: Werde sehend! Geh nach Hause, fürchte dich nicht mehr. „Haus“ bedeutet in diesem Falle dein tiefstes Innern, der Raum, wo du lebendig bist, weil auch dein Kind lebt, deine Seele lebt und das Leben zurückgekehrt ist!

Lasst uns also in die nächsten Wochen mit diesem wunderbaren lebenserweckenden Wort des Herrn gehen, mit eben dieser Hoffnung, ja mit genau dieser Überzeugtheit, welche uns dieses Wort schenkt. Lass uns unseren Weg weiter gehen und bereit sein, wenn die Fastenzeit beginnt, nicht mehr blind zu sein, sondern zu sehen.

Amen.          

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